Leverkusen/Köln Kinder? Sag niemals nie!

Leverkusen/Köln · Ist die Sterilisation nichts weiter als eine effektive Verhütungsmethode? Ein Vater, der früher den Kinderwunsch chirurgisch ausschloss, erzählt von seiner Entscheidung und dem Sinneswandel Jahre später.

 Bernd Bauche hatte sich mit 30 Jahren gegen Nachwuchs entschieden und seinen Samenleiter durchtrennen lassen. Dann wollte er doch Kinder.

Bernd Bauche hatte sich mit 30 Jahren gegen Nachwuchs entschieden und seinen Samenleiter durchtrennen lassen. Dann wollte er doch Kinder.

Foto: Julia Zuew

Zwei kleine Schnitte. Eine lokale Betäubung, der Patient bleibt bei Bewusstsein. Der Eingriff dauert keine halbe Stunde - verändert jedoch etwas Wesentliches. Oder auch nicht? "Ich hatte mich dadurch nicht weniger als Mann gefühlt", sagt Bernd Bauche. Der damals 30-Jährige, der heute 61 Jahre alt ist, entschied sich für eine Vasektomie. Bei dem Eingriff werden die Samenleiter durchtrennt und unterbunden. Eine Verhütungsmethode, für die sich etwa fünf Prozent der Männer in Deutschland -meist im Alter zwischen 40 und 49 Jahren - entscheiden, wie eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2011 ergab. Auch bei den Frauen sind es fünf Prozent.

"Gewöhnlich ist bei den Patienten die Familienplanung abgeschlossen", sagt Dr. Jürgen Zumbé, Direktor der Klinik für Urologie am Klinikum in Leverkusen. Dr. Sylvia Dorn-Kunert, Oberärztin an der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, berichtet, dass sich häufig Mütter für eine Sterilisation entscheiden: "Oft wird das mit dem Kaiserschnitt zusammen gemacht. Dafür muss die Bauchdecke sowieso geöffnet werden." Der Eingriff birgt bei Frauen mehr Risiken. Und es ist bei Männern besser möglich, den Eingriff rückgängig zu machen. Bei Frauen ist die Möglichkeit einer Schwangerschaft danach äußerst gering.

Beide Ärzte betonen, dass Paare und Ledige die Entscheidung - ganz gleich, ob mit oder ohne Kinder - gewöhnlich sehr bewusst treffen. Verantwortung, Ausgaben, Lebensstandard, Gesundheit und Lebensplanung: Ein Kind stellt das Leben der Eltern auf den Kopf, und das auf ganz eigene Art. Faktoren, die nur von einem selbst richtig abgewogen werden können.

Doch manchmal kommt es anders, als man denkt. Heute ist der 61-jährige Physiker aus Köln Vater zweier Töchter, 14 und 16 Jahre alt - trotz Sterilisation. "Etwa acht Jahre nach der Vasektomie habe ich mich refertilisieren lassen", erzählt Bauche. Das Vatersein habe er unterschätzt, bereuen tue er seine zweite Entscheidung aber nicht. "In meinem privaten Umfeld war es damals nicht angesehen, Kinder zu haben", deshalb die frühere Sterilisation.

Vor der Vasektomie habe niemand Druck auf ihn ausgeübt, gänzlich seine Einstellung sei es aber nicht gewesen, Nachwuchs für den Rest des Lebens auszuschließen. Mit derselben Partnerin, mit der er sich für den ersten Eingriff entschied, fasste er später den Entschluss zur Rekanalisierung. Einem chirurgischen Eingriff, der seine Zeugungsfähigkeit wiederherstellen sollte. Kinder mit ihr hat er trotzdem nicht: Sie konnte nicht schwanger werden. Das Paar ging später getrennter Wege. "Nicht speziell wegen der Sache mit dem Kinderwunsch." Aber: "Wer weiß, ob das auch so passiert wäre, wenn alles geklappt hätte."

Die Sterilisation als Verhütungsmittel wie jedes andere auch zu sehen, fällt schwer - auch wenn es nichts weiter als das sein soll. "Nach dem Eingriff überwältigt es manche Patientinnen trotzdem mehr, als sie es geglaubt hätten", berichtet Dorn-Kunert. Bei Männern träten mitunter Komplexe und Probleme mit dem Selbstwertgefühl auf. Obwohl sich im Körper nichts weiter verändere außer der Fruchtbarkeit. Auch in sexueller Hinsicht hätten weder Frau noch Mann etwas einzubüßen, sagen die Ärzte.

Patienten wie Bauche seien nicht die Regel, sagt Zumbé. Gewöhnlich "sollte die Sterilisation eine Entscheidung für den Rest des Lebens sein". Zwar gibt es kein gesetzliches Mindestalter für die Eingriffe, ein Patient Anfang 20 "muss aber erst einen Kollegen finden, der das macht", sagt er. Dorn-Kunert führt die Eingriffe erst bei Frauen ab 35 durch.

Für Bernd Bauche änderte sich nach 30 vieles. Nachdem er seine Frau und Mutter seiner Töchter kennengelernt hatte, begann er einen neuen Lebensabschnitt mit der heute 52-Jährigen. "Mitte 30 bekommt man ein Gefühl für die Endlichkeit des Lebens", sagt er. Ohne die zwei Mädchen würde ihm ein Teil im großen Bild fehlen. Was, wenn von ihrer Seite irgendwann der Wunsch zur Sterilisation kommen sollte? "Wenn es der Fall wäre, würde ich meine Geschichte noch mal erzählen und müsste dann ihre Entscheidung akzeptieren", sagt Bauche. "Sie sind aber sehr überzeugt, dass sie später Kinder haben möchten", fügt er hinzu und lächelt.

(juz)
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