Leverkusen Geschäftsmann, Karnevalist, Wahlrheinländer

Leverkusen · Franz Borengässer ist bei den Altstadtfunken ein Begriff. Er war der erste Karnevalsprinz von Opladen. Aber er war noch viel mehr: Er gründete die Lebensmittelgenossenschaft Anker und war im Vorstand von Rewe. Jetzt jährt sich sein Tod zum 50. Mal.

 Borengässer 1917: Er kämpfte als Soldat an der Westfront.

Borengässer 1917: Er kämpfte als Soldat an der Westfront.

Foto: privat/Norbert Borengässer

Mit den Westfalen ist das so eine Sache. Bisweilen eilt denen von Vater Rhein fern leben müssenden Menschen der Ruf voraus, sie gingen zum Lachen in den Keller. Der Opladener an sich müsste sich mit derlei Spott aber zurückhalten, denn vor Ort kürte man 1935 eben einen Westfalen zum Prinz Karneval: Franz Borengässer. "Durch gemeinsames Engagement der Opladener Vereine zieht der erste Rosenmontagszug seit 1908 durch Opladen. Ebenso stellen die Altstadtfunken den ersten Prinz von Opladen Franz I.", notieren die Altstadtfunken auf ihrer Internetseite zum Jahr 1935.

 Die junge Familie Borengässer 1924/25 (mit Sohn Josef) vor ihrem Kaufhaus an der Altstadtstraße 47.

Die junge Familie Borengässer 1924/25 (mit Sohn Josef) vor ihrem Kaufhaus an der Altstadtstraße 47.

Foto: privat/Norbert Borengässer

Borengässers Todestag jährt sich am Mittwoch, 5. Juli, zum 50. Mal. Geboren wurde er 77 Jahre davor in Wulfen (heute Dorsten) in Westfalen als Jüngstes von zehn Kindern eines aus dem Bergischen stammenden Müllers. Sein Leben ist aber auch aus einem anderen Grund gerade in diesen Tagen mit der Eröffnung des Rewe-Marktes in Opladen äußerst spannend, denn Borengässer war Einzelhändler, Genossenschaftsinitiator und über Jahre im Vorstand der Kölner Rewe-Zentrale.

 Junges Glück: 1919 heiratete Franz Borengässer seine Maria Gertrud Kleinschmidt. Das Foto entstand ein Jahr zuvor.

Junges Glück: 1919 heiratete Franz Borengässer seine Maria Gertrud Kleinschmidt. Das Foto entstand ein Jahr zuvor.

Foto: Norbert M. Borengässer

Wurzeln in Westfalen schlagen konnte Franz Borengässer nicht, denn in jungen Jahren kam er nach Schlebusch in die Lehre zum Großhandelskaufmann. Und der junge Mann blieb nach dem Ersten Weltkrieg im Rheinland. Er heiratete 1919 Maria Gertrud Kleinschmidt. Deren Vater hatte an der Altstadtstraße in Opladen einen Kolonialwarenladen - den alsbald die Borengässers übernahmen.

 Die Borengässers mit dreien ihrer vier Kinder: Johannes (sitzend), Josef und Gertrud.

Die Borengässers mit dreien ihrer vier Kinder: Johannes (sitzend), Josef und Gertrud.

Foto: privat/Norbert Borengässer

Und der Westfale, mittlerweile also Opladener, war durch und durch Geschäftsmann. 1924 initiierte er die Einkaufsgenossenschaft "Anker" (kam später zur Rewe-Genossenschaft) insbesondere von Opladener Lebensmittelhändlern. Borengässer wurde Geschäftsführer. 20 Jahre später: Die Ängste, Sorgen und die Beschaffungsprobleme von Waren während des Zweiten Weltkriegs kaum hinter sich gelassen, wurde Franz Borengässer Ende 1945 in den Zentralvorstand der Rewe berufen. "Das ihm als Unbelastetem nach dem Krieg angebotene politische Amt (Bürgermeister) lehnte er ab; stattdessen organisierte er mit der verbliebenen Rewe-Logistik und seinem Sohn Josef die Lebensmittelverteilung unter der Bevölkerung", erzählt Enkelsohn Norbert M. Borengässer aus dem Leben seines Großvaters, der 1967 auf dem Friedhof Birkenberg beigesetzt wurde. Neun Jahre davor war Franz Borengässer als Geschäftsführer der Opladener Rewe-Filiale in den Ruhestand getreten. Oder vielmehr Unruhestand: Er hatte zeitlebens verschiedene Ehrenämter inne, war Kirchenvorstandsmitglied an St. Remigius, Mitglied der Prüfungskommission der IHK Solingen, nebenamtliches Vorstandsmitglied der Opladener Volksbank.

Und einer, der nicht nur als Karnevalsprinz Franz I. Humor hatte. So ist gut möglich, dass sein Sohn Josef diesen von ihm erzählten Witz über die längste Straße Opladens einst vom Vater gehört hat. "Nämlich die Altstadtstraße, weil es Monate dauern konnte, bis man durch war - bei einem Umweg über das Gefängnis", berichtet Norbert M. Borengässer.

Sein Großvater war auch ein gläubiger Mann. Anfang der 1930 er Jahre erkrankte seine Frau schwer, Franz Borengässer gelobte eine "Stiftung", wenn seine Maria nur wieder gesund würde. "Dies war der Fall und so finanzierte er über einen ihm aus der Kriegszeit befreundeten Pfarrer die Kriegergedächtnisstätte in der Pfarrkirche zu Greppin bei Bitterfeld, die den II. Weltkrieg und die DDR überlebte, aber jetzt wohl dem Kirchensterben zum Opfer fällt", erzählt der Enkelsohn. Dazu passt auch dies: Seit jeher wurde vor der Toreinfahrt des Hauses Altstadtstraße 47 einer der vier Stationsaltäre der Fronleichnamsprozession aufgebaut. "Die Holzaufbauten hatte der Schwiegervater Josef Kleinschmidt selber erstellt hatte, da er eigentlich Schreinermeister war, bevor er das Kolonialwarengeschäft gründete."

Karneval und Ehrenämter hin oder her, für den Enkelsohn ist eines über Franz Borengässer klar: "Sein Lebenswerk ist die von ihm initiierte Lebensmittelgenossenschaft ,Anker', die er in die Rewe führte und deren Geschäftsführer er bis 1958 war." Vielleicht ist es gut, dass er das Ende seiner Opladener Rewe-Filiale nicht mehr mitbekam. Zwei Jahre nach seinem Tod wurde sie im Mai 1969 geschlossen.

(RP)
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