Leverkusen/Leipzig Gericht macht Weg frei für neue A 1-Brücke

Leverkusen/Leipzig · Der Neubau der maroden Leverkusener Rheinbrücke kann wie geplant in Angriff genommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht gab gestern grünes Licht. Die Leverkusener Kläger wollen jetzt den Gang vor den Europäischen Gerichtshof prüfen.

 So soll die neue Rheinbrücke nach einem Architektenentwurf aussehen.

So soll die neue Rheinbrücke nach einem Architektenentwurf aussehen.

Foto: Straßen NRW

Die Gesichter wurden länger und länger: Eigentlich hatten Vorstand und Mitglieder des Leverkusener Netzwerks gegen Lärm (NGL) im Restaurant "Haus am Park" in Manfort die Urteilsverkündung gemeinsam im Internet verfolgen wollen, um im Erfolgsfall gleich feiern zu können.

Doch dann brach erst die Verbindung zusammen, und als der Spruch des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts dann endlich kommuniziert wurde, mussten die Leverkusener eine bittere Niederlage hinnehmen. Klage abgewiesen. Die A 1-Brücke darf wie geplant gebaut werden, damit ist auch eine Öffnung der einstmals größten Giftmülldeponie Europas, der "Dhünnaue" rechtens, wie ihn der Landesbetrieb Straßen. NRW plant. Im Saal herrschte Fassungslosigkeit.

NGL-Chef Manfred Schröder fand als erster die Worte wieder: "Das ist das Worst-Case-Szenario", sagte er. Der Stau, den Leverkusen und seine Umgebung in den vergangenen Tagen hätten erleben müssen, werde in den kommenden 20 Jahren nun wohl zum Alltag gehören.

Rund 35 Kilometer nördlich - in der Landeshauptstadt Düsseldorf - herrschte dagegen ganz andere Stimmung. Dort strahlten die Vertreter von Land, Bezirksregierung und Straßenbaubehörde bei einem kurzen Pressetermin um die Wette: NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete das Urteil als Startschuss: "Jetzt läuft der Countdown für den ambitionierten Fahrplan, die erste Hälfte der Brücke bis 2020 für den Verkehr fertig zu stellen." Dann solle auch der Lkw-Verkehr auf der A 1 wieder über den Rhein fahren können. "Insbesondere Handwerker, Lieferanten und Speditionen werden aufatmen", betonte Wüst.

Gleich neben ihm sprach Straßen.NRW-Direktorin Elfriede Sauerwein-Braksiek in die Mikrofone: "Das Urteil ist für mich eine Bestätigung der guten vorbereitenden Arbeit unserer Planer. Ich freue mich, dass wir jetzt Rechtssicherheit haben und schnell beginnen können."

Die dritte im Bunde - die Kölner Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD), fühlte sich durch den Leipziger Richterspruch bestätigt, "dass wir die Sorgen und Ängste der Menschen in der Region ernst nehmen." Die im Planfeststellungsbeschluss getroffenen Vorkehrungen für den Eingriff in die Giftmülldeponie Dhünnaue böten "höchstmöglichen Schutz der direkt betroffenen Bürger", versicherte sie.

Im "Haus am Park" war da schon lange keiner der morgendlichen Internet-Runde mehr anzutreffen. Dabei hatte Fachanwalt Wolfram Sedlak, der die Initiative juristisch berät, noch versucht, so etwas wie Hoffnung zu verbreiten. Auf das Urteil müsse man nun genau schauen und dann beraten, ob ein Gang vor das Bundesverfassungsgericht oder gar den Europäischen Gerichtshof sinnvoll sei. Sedlak verglich das Projekt mit Großbaustellen wie dem Berliner Flughafen.

NGL-Chef Schröder erhob Vorwürfe gegen die Stadt Leverkusen und Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD). Die Verwaltungsspitze habe sich auf die Seite der Landesbehörden geschlagen und den Kampf gegen die Öffnung der Giftmülldeponie nicht unterstützt. Bei den Bürgerinitiativen herrscht die Meinung vor, der Bund habe seine Entscheidung gegen einen Tunnel schon längst getroffen. Wasser auf ihre Mühlen war da jetzt ein Bericht des WDR-Politmagazins "Westpol", dem eine interne E-Mail aus dem November 2015 vorliegt. Der oberste Planer für Bundesfernstraßen im NRW-Verkehrsministerium schreibt da dem Sender zufolge an den damaligen Minister Michael Groschek (SPD), man solle "nach außen sagen, dass man sich eine Tunnellösung ernsthaft gewünscht habe". Sein wahres Votum sei aber, "die Tunnelvariante für die weitere Planung auszuschließen".

Richrath nannte den Bericht irreführend und wies Vorwürfe zurück, er habe von einer Vorfestlegung der Behörden gewusst und diese gedeckt. "Die kritisierte Korrespondenz ist völlig veraltet", sagte der Stadtchef. Sie beziehe sich auf das Jahr 2015, als es noch keine einzige geprüfte Tunnelvariante gab, in der auch Gefahrgutstransporte möglich waren. Mittlerweile habe man eine für 100.000 Euro erstellte Machbarkeitsstudie, die beweise: "Ein Tunnel ist möglich - auch mit Gefahrguttransporten." Und genau für so einen Tunnel setze er sich ein.

Sein Parteifreund Karl Lauterbach ist sogar überzeugt davon, eine lange Tunnelvariante noch durchsetzen zu können. Das Gericht habe nur geprüft, ob die Planung für die Brücke rechtmäßig, nicht aber, ob sie auch vernünftig sei. "Diese Entscheidung trifft der Bundestag", sagte Lauterbach, der Politiker und Bürger-Aktivisten dazu aufrief, jetzt zusammenzurücken.

Dass dies nicht leicht wird, zeigt das Beispiel Gisela Kronenberg. Sie ist eine der Klägerinnen, will sich aber jetzt aus dem Netzwerk zurückziehen. Vor allem mit Bürgerlistenchef Erhard Schoofs wolle sie nichts mehr zu tun haben, kündigte sie gestern an. Schröder bat sie, zu warten: "Im Moment", sagte er, "sind wir alle sehr enttäuscht."

(RP)
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