Analyse Genosse Gabriel weckt Wahlkampf auf

Leverkusen · Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel war Lichtblick einer staatstragenden erstarrten SPD-Diskussion im Forum.

 Einzug in den Saal: (v.l.) Bayer-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Oliver Zülke, OB-Kandidat Uwe Richrath und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Einzug in den Saal: (v.l.) Bayer-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Oliver Zülke, OB-Kandidat Uwe Richrath und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Foto: miserius

In großen weißen Lettern auf rotem Grund stand an der Bühnenwand zu lesen: "Die SPD regiert, das Land kommt voran."

Da hatte das Land der SPD-Diskussionsveranstaltung gestern im Forum allerdings einiges voraus. Dort hatte man streckenweise das Gefühl, dass nichts vorankomme, weil die Teilnehmer in staatstragenden Formulierungen geradezu erstarrten. Die rasanten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, der demografische Wandel und ein immer stärker werdender Fachkräftemangel sollten laut Einladung die Themen sein, mit denen sich die gestrige Podiumsdiskussion befassen sollte.

Neben dem Bayer-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Oliver Zülke, Bayer-Jugendvertreterin Nicole Kowolik und dem SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Uwe Richrath saß Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf dem Podium - und wäre der nicht gewesen, hätte die Veranstaltung vor etwa 100 Zuhörern wohl soviel Nutz-und Unterhaltungswert geboten wie eine Heizdecke im Hochsommer. Schon zu Beginn, als Moderator Norbert Oschmann Gabriel "zu ein paar einleitenden Sätzen" ans Rednerpult bat, murmelte dieser: "nicht so steif".

Und fügte gleich hinzu, ja, natürlich sei er hier, um in erster Linie Wahlkampf für OB-Kandidat Uwe Richrath zu machen: "Das ist jetzt wahrscheinlich die Überraschung des Tages." Überraschend und wirklich nutzwertig ging es dann auch weiter, denn Gabriel verteilte nicht nur Freundlichkeiten in Richtung des Kandidaten, er hob auch die Bedeutung von Oberbürgermeister- und Kommunalwahlen hervor, die leider dramatisch an Wahlbeteiligung verlören, dabei aber doch enorm wichtig seien, weil sie ganz stark auch die Lebensumstände in diversen Bereichen einer Kommune beeinflussen können. Oberbürgermeister, aber auch die ehrenamtlichen Stadträte, die viel Zeit und Arbeit opferten und dafür nur eine Entschädigung bekämen, " die bei uns in Goslar schon beim ersten Schützenfest wieder weg ist", trügen dazu bei, für die Bewohner ein Stück Heimat zu schaffen. Und das könne gar nicht hoch genug bewertet werden, lobte Gabriel.

Nebenbei verriet der Vollblutpolitiker dann auch noch, dass er einst als 15-Jähriger bei einem Kongress der Falken in Leverkusen zum ersten Mal in einem Hotel geschlafen habe. Und dort, im Ramada, "habe ich auch ein Handtuch geklaut", gestand er unter lautem Gelächter im Saal: "Ist ja längst verjährt."

Witz, Esprit, aber auch die Fähigkeit, wichtige politische Inhalte mit präzisen Worten zu vermitteln - das alles machte jeden Beitrag Gabriels zu einem hörenswerten Erlebnis.

Der zähen Diskussion hätte es da gar nicht bedurft. Sie sollte den Kandidaten Richrath eigentlich einbinden, entlockte ihm aber auch nichts Bahnbrechendes, außer der mehrfach wiederholten Forderung, bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen und die Menschen in ihren Stadtteilen abzuholen, denn "wo man lebt, ist die Straße unmittelbar". Gabriel dürfte die Schwierigkeiten dieser Diskussion wohl ähnlich empfunden haben, forderte er doch schon nach der ersten Fragerunde nachdrücklich, das Publikum einzubinden und Fragen zuzulassen. Da das Publikum im Saal jedoch ebenfalls weitgehend aus SPD-Parteimitgliedern und Anhängern bestand, blieben politischer Schlagabtausch oder kritische Nachfragen - eigentlich das Salz in der Suppe einer solchen Veranstaltung - weitgehend aus. Wirklich voran kommt man so eher nicht.

(RP)
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