Lieb mich! Wie Bayer 04 im Bergischen um Fans buhlt

Bayer 04 Leverkusen geht im Bergischen Land auf Fan-Jagd: In Solingen hat der Bundesligist Anfang Dezember den zweiten Fanshop außerhalb Leverkusens eröffnet. Wir erklären, warum das Bergische Land für den Klub so wichtig ist.

Die Aufregung war groß, als vor zwei Jahren plötzlich ein Wagen der Wuppertaler Schwebebahn im Dress der Werkself durch die Stadt fuhr. "Spitzenfußball nur 30 Kilometer Luftlinie" – mit diesem Slogan warb Fußball-Bundesligist Bayer 04 Leverkusen ausgerechnet auf dem Wahrzeichen der Stadt für seine Spiele. Fans des Wuppertaler SV, der damals in der fünftklassigen Oberliga spielte, fühlten sich provoziert und wollten gar nicht mehr aufhören zu schimpfen. "Es mag Kritik gegeben haben", sagt Bayer 04-Marketingdirektor Jochen Rotthaus. "Aber es gab auch viel Zuspruch."

Inzwischen schwebt der Werkself-Wagen nicht mehr über die Wupper. Das bedeutet aber nicht, dass sich der Bundesligist aus dem Bergischen Land zurückgezogen hat – im Gegenteil: Der Klub will sich künftig stärker im Bergischen Städtedreieck positionieren, um Fans zu gewinnen. "Das Bergische spielt für uns eine sehr große Rolle", bestätigt Rotthaus. "Vermutlich eine größere Rolle als für andere westdeutsche Bundesligisten."

Deswegen ist das Bergische Land für Bayer 04 wichtig

Nirgends in Deutschland ist die Dichte an hochklassig spielenden Traditionsvereinen so hoch wie in Nordrhein-Westfalen, und Leverkusen liegt mittendrin. Das macht es für den Verein mit dem hartnäckigen Image eines Retortenklubs nicht besonders leicht, Fans für sich zu begeistern. Der Niederrhein gehört Borussia Mönchengladbach, südlich von Leverkusen feiert sich der mitgliederstarke 1. FC Köln, an den Currywurst-Ständen im Revier bestimmen Schalke 04 und Borussia Dortmund die Gesprächsthemen. Und die Düsseldorfer Fortuna hat ihre Ranken bis in die Langenfelder Vorgärten ausgestreckt. Wo ist also noch Platz für Bayer 04 wenn nicht im Bergischen Land, wo die großen Traditionsklubs wie der FC Remscheid und Union Solingen längst in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind? Bayer will in diese Nische.

Anfang Dezember eröffnete Bayer 04 in Solingen einen eigenen Fanshop. Es ist das zweite Geschäft des Klubs außerhalb von Leverkusen. In Bergisch Gladbach betreibt der Verein ein weiteres Geschäft. 2000 neue Dauerkartenbesitzer habe der Verein in den vergangenen zwei Jahren im Bergischen hinzugewonnen, bemerkte Bayer-Geschäftsführer Michael Schade bei der Eröffnungsfeier in Solingen. 450 dieser Dauerkarten habe der Verein an Solinger verkauft. 5000 der insgesamt etwa 19.000 Dauerkartenbesitzer kommen laut Bayer 04 aus dem Bergischen Land.

So bergisch ist Bayer 04 schon

Geschäftsführer Michael Schade ist ein gutes Beispiel dafür, wie eng der Verein schon mit dem Bergischen verwoben ist. Schade ist gebürtiger Solinger, genau wie Mittelfeldspieler Kevin Kampl, der bei der Eröffnung zu Gast war. Auch Ex-Spieler Christoph Kramer stammt aus Solingen, der langjährige Bayer-Profi Gonzalo Castro ist Wuppertaler. Und auf ihrer Brust tragen die Spieler der Werkself seit der laufenden Saison das Logo der Barmenia-Versicherung, die ihren Sitz in Wuppertal hat. In Bergisch-Gladbach veranstalten die Bayer-Kicker regelmäßig Testspiele. Und Hauptsponsor Bayer hat ein Werk mitten in Wuppertal.

Von dort aus bis in die Sitzschale der BayArena dauert es mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht einmal eine Stunde. "Die Infrastruktur zwischen Leverkusen und dem Bergischen Land ist sehr gut ausgebaut", sagt Marketingdirektor Rotthaus. Zwischen Wuppertal und Leverkusen fahren die Regionalbahn 48 und der RE7, beide halten auch in Solingen. Die Autobahn 1 führt aus dem Bergischen direkt nach Leverkusen.

Mehr als 600.000 Menschen leben im Bergischen Städtedreieck; Wuppertal, Solingen und Remscheid. Mehr als eine Million im erweiterten Bergischen. Leverkusen hat knapp 160.000 Einwohner. Das Zahlenverhältnis verdeutlicht das Fanpotenzial, das zu locken ist. Die Bundesligaspiele der Werkself sehen im Schnitt 28.148 Fans. Das ist gemessen an der Stadiongröße von 30.210 eine ordentliche Auslastung.

Es geht aber nicht nur um Ticketverkäufe. Beim "Merchandising", also dem Verkauf von Fan-Artikeln, ist für die Klubs ebenfalls viel zu holen. Und wer durch Fans im Gespräch ist, hat in Verhandlungen mit Sponsoren die besten Argumente.

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