Leverkusen Flüchtlinge: Erfolgsfaktor für Firmen

Leverkusen · Mit Ausbildung und Integration von Flüchtlingen wollen Handelskammer und Unternehmer dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

 Rund 70 Gäste verfolgten das Podiumsgespräch von Hamzi Ismail (WDR), IHK-Chef Ulf Reichardt und Sozialdezernent Markus Märtens (v. l.).

Rund 70 Gäste verfolgten das Podiumsgespräch von Hamzi Ismail (WDR), IHK-Chef Ulf Reichardt und Sozialdezernent Markus Märtens (v. l.).

Foto: sug

Integration ist Arbeit. "Wenn zwei Kulturen aufeinanderprallen, bedeutet das Konfrontation. Ob man es will oder nicht", sagt Natalie Kühn. Sie ist Geschäftsführerin der Leverkusener Firma SK-Elektronik und weiß, wovon sie spricht. "In unserem Unternehmen haben 40 Prozent der Mitarbeiter einen Migrationshintergrund", berichtet die Unternehmerin des Jahres 2015. Wichtig sei, durch Verständnis und Toleranz auf der Arbeit zueinanderzufinden. Mit 34 Mitarbeitern sei SK-Elektronik kein großer Betrieb. "Aber wir exportieren in die ganze Welt, weil wir die Kenntnisse unserer Mitarbeiter nutzen."

Ihre Erfahrungen gab Kühn jetzt bei einem Informationsnachmittag der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Leverkusen weiter, der unter dem Titel "Integration von Flüchtlingen: Gemeinsam nach vorne schauen!" stand. Rund 70 Unternehmer, Mitarbeiter von Bildungseinrichtungen, Jobcenter und anderen Institutionen hörten interessiert zu. Zumal Kühn einen jungen Kollegen mitgebracht hatte, der vor vier Jahren aus dem Oman nach Deutschland gekommen war und nun als Trainee bei der Leverkusener Firma tätig ist. Schon kurz nach seiner Ankunft habe er einen sechsmonatigen Deutschintensivkurs belegt. "Aber ich habe die ersten zwei Jahre kein Wort Deutsch gesprochen, weil ich mich nicht wohlgefühlt habe", erzählte Murat Tbaileh den Gästen. Erst das Studium und die Arbeit hätten das geändert.

 Unternehmerin Natalie Kühn wirbt dafür, Mitarbeitern aus anderen Kulturkreisen Verständnis entgegenzubringen. Das zahle sich für eine Firma aus.

Unternehmerin Natalie Kühn wirbt dafür, Mitarbeitern aus anderen Kulturkreisen Verständnis entgegenzubringen. Das zahle sich für eine Firma aus.

Foto: umi (Archiv)

Sprache, aber auch kulturelle Unterschiede seien große Hürden, die es zu überwinden gelte, erklärte Kühn. "Statt einer Raucherpause muss man arabischen Mitarbeitern eben eine Gebetspause zugestehen. Denn die Menschen werden ihre Religion nicht ablegen."

Mit ihren Forderungen fand sie sich auf einer Linie mit dem Leverkusener Sozialdezernenten Markus Märtens sowie IHK-Chef Ulf Reichardt. Die IHK hat schon eigene Mittel für Sprachkurse bereitgestellt. "Allerdings sind noch viele Plätze frei, weil uns Flüchtlinge mit den nötigen Grundkenntnissen in Deutsch fehlen", berichtete Reichardt - und plädierte dafür, Berufsbilder anzupassen. "Warum führen wir zum Beispiel nicht einen ,Lageristen light' ein, bei dem es mehr um die Praxis als um die Theorie geht?", fragt er. Denn bei jungen Flüchtlingen müsse in der Regel erst das Interesse für eine Ausbildung und eine Zukunft als Facharbeiter geweckt werden. Die meisten wollten nur schnell Geld verdienen.

Weitere Erschwernis: Zurzeit gibt 105 verschiedene Aufenthaltstitel. Märtens hofft darauf, dass Asylanträge künftig schneller als bisher bearbeitet werden - auch für eine bessere Planungssicherheit der Unternehmer. Er gab sich zuversichtlich: "Leverkusen hat jahrzehntelange Erfahrung mit Migration", sagte er. "Wir brauchen einen langen Atem und dürfen nicht im Zuständigkeitschaos versinken."

(sug)
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