Leverkusen EU-Kommission bremst Bayer-Konzern

Leverkusen · Das Gremium teilte gestern mit, es habe noch Bedenken gegen den rund 60 Milliarden Euro schweren Zusammenschluss von Bayer und Monsanto und wolle ihn nun genauer unter die Lupe nehmen.

Es geht nur schrittchenweise voran bei der Übernahme des US-Konzerns Monsanto durch Bayer. Jetzt nimmt die EU-Kommission Tempo raus: Wie der Konzern mitteilte, hat die Kommission gestern beschlossen, "die Phase II in der Untersuchung des geplanten Zusammenschlusses von Bayer und Monsanto einzuleiten". Heißt: Die Übernahme wird nun noch genauer unter die Lupe genommen. Der Leverkusener Konzern hat nach eigenen Angaben allein wegen der Größe des Vorhabens schon eine nähere Untersuchung des Prozesses erwartet.

Und bleibt bei seiner Überzeugung, dass der Zusammenschluss mit dem Saatgutriesen Vorteile für Landwirte und Kunden bringen wird. Kritiker sehen dies anders. Schon nach Bekanntwerden der Übernahme für 66 Milliarden Dollar hatte die Coordination gegen Bayer-Gefahren geunkt: "Der Worst Case ist eingetreten", der schlimmste Fall ist eingetreten. Die Leverkusener Grünen hatten das ähnlich bewertet: "Monsanto steht wie kein anderes Unternehmen für eine fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft... Wird diese Fusion genehmigt, könnte Bayer zudem fast im Alleingang entscheiden, was auf unseren Feldern wächst und somit auf unseren Tellern landet." An Bayer hatten die Grünen vor allem auch die Kritik geübt, der Konzern entziehe der Stadt systematisch die Gewerbesteuereinnahmen.

Bayer "wird die EU-Kommission bei der Untersuchung wie bisher eng und konstruktiv unterstützen". Die beiden Unternehmen hatten die Transaktion am 30. Juni bei der EU-Kommission angemeldet und am 31. Juli Verpflichtungsangebote vorgelegt. Das Ziel, so meldete der Konzern gestern, sei es, die Genehmigung der Kommission für die Transaktion bis Ende 2017 zu bekommen.

Das könnte knapp werden, denn die Kommission hat nun bis zum 8. Januar 2018 Zeit, um Bedenken abzuwägen und eine Entscheidung zu fällen. Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager sagte gestern: "Saatgut und Pestizide sind für Landwirte und letztlich auch für die Verbraucher von entscheidender Bedeutung. Wir müssen auf diesen Märkten einen wirksamen Wettbewerb sicherstellen, sodass Landwirte Zugang zu innovativen Produkten und einer besseren Qualität haben und Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen kaufen."

Bauchschmerzen hat die Kommission dahingehend, dass die Übernahme den Wettbewerb "auf verschiedenen Märkten einschränken könnte, was zu höheren Preisen, einer geringeren Qualität, weniger Auswahl und geringerer Innovation führen würde". In den Bereichen Pestizide, Saatgut und agrochemische Merkmale äußert die Kommission Bedenken: "Das neue Unternehmen würde schließlich über die größte Palette an Pestiziden und die stärksten Marktanteile bei Saatgut und agronomischen Merkmalen verfügen und somit zum größten integrierten Unternehmen der Branche werden", heißt es in einer Mitteilung der Behörde. Sie will untersuchen, "ob der Zugang der Wettbewerber zu Verteilern und Landwirten erschwert würde, sollten Bayer und Monsanto ihre Verkäufe von Pestiziden und Saatgut insbesondere im Hinblick auf die digitale Landwirtschaft bündeln oder zusammenlegen". Bei der digitalen Landwirtschaft handele es sich um die Sammlung von Daten und Informationen über landwirtschaftliche Betriebe. Deren Ziel: Landwirten eine auf sie abgestimmte Beratung oder Daten zur Verfügung stellen. "Sowohl Bayer als auch Monsanto investieren derzeit in diese neue Technologie."

Die Ende Juli vorgelegten Verpflichtungsangebote der beiden Unternehmen, um die Bedenken auszuräumen, reichen laut Kommission nicht aus, um die "ernsthaften Zweifel an der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit der EU-Fusionskontrollverordnung zu zerstreuen". Weil Bayer und Monsanto weltweit tätig sind, will die EU-Einrichtung verstärkt mit anderen Wettbewerbsbehörden zusammen, vor allem mit der zuständigen Stelle in den USA und den Kartellbehörden in Australien, Brasilien, Kanada und Südafrika.

Wichtiger Nachsatz, um Spekulationen in die ein oder andere Richtung auszuschließen: "Die Einleitung einer eingehenden Prüfung lässt keine Schlüsse auf deren Ergebnis zu."

(RP)
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