Prozess wegen sexueller Belästigung Erschlich sich Kläger Leergutbons?

Leverkusen · Alexandra Rüter, Richterin am Arbeitsgericht fühlte sich vom Kläger verschaukelt. "Sie wollen mir erzählen, dass Sie ein halbes Jahr in dem Laden arbeiten und nichts davon gemerkt haben, von Videokameras beobachtet zu werden?", fragte sie den 22-Jährigen eindringlich. Der hielt seine Antwort sehr kurz: "Ja."

Prozess wegen sexueller Belästigung: Erschlich sich Kläger Leergutbons?
Foto: Ralph Matzerath

Es ging hitzig zu in Saal 124 am Arbeitsgericht, das am Dienstag in Opladen tagte. Denn auch die Anwältin des Beklagten erweckte den Eindruck von Kratzbürstigkeit. Wer nicht wusste, um was es bei dem Kammertermin ging, konnte leicht glauben, der 22-Jährige hocke auf der Anklagebank. Dabei klagt sein Anwalt gegen einen Aufhebungsvertrag, auf Weiterbeschäftigung und rückständigen Lohn - und auf Schmerzensgeld in Höhe von 250 Euro, weil der 22-Jährige dreimal von seiner Chefin, der Filialleiterin eines Leverkusener Getränkemarktes, sexuell belästigt worden sein soll.

Vorausgegangen war dies: Der junge Mann soll im Getränkemarkt im Oktober einen Flaschenbon von 1,25 Euro eingelöst, zuvor aber nicht das Leergut dazu abgegeben haben. Dies warf ihm sein Arbeitgeber bei einem Personalgespräch vor. Als vermeintlichen Nachweis zeigten Filialleiterin und Bezirksleiter ihm eine Videoaufnahme und legten einen Aufhebungsvertrag vor, berichtete Orlowski.

Den Vertrag sollte der 22-Jährige unterschreiben, sonst folge eine Strafanzeige, soll es in dem Gespräch geheißen haben. Der Mann unterschrieb. Die Strafanzeige gab's dennoch. Darin ist von zweimal neun Euro die Rede, die der Mann in Form von Leergutbons ohne Leergut genutzt haben soll, um sich Zigaretten und einen Energiedrink in dem Geschäft zu kaufen. Die Videoaufnahmen sprächen eine deutliche Sprache, meinten Rüter und die Anwältin. Orlowski irritieren zeitliche Unstimmigkeiten in dem Video und dass auf den Kassenbons der Ware andere Leergutbon-Nummern erfasst sein sollen als auf den Flaschenbons. Der 22-Jährige bestreitet, für die Richterin wenig glaubhaft, die Bons für sich ausgedruckt zu haben, die Beklagtenseite, dass die Filialleiterin dem Mann zweimal in den Schritt und einmal ans Gesäß gefasst haben soll. Die Dame war nicht als Zeugin geladen worden.

Auf einen Vergleich konnten sich die Parteien nicht einigen, ein Urteil lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Orlowski kündigte an: Wenn der Vorfall der sexuellen Übergriffe nicht geklärt, die Filialleiterin nicht als Zeugin gehört werde, sondern der Fall einfach "so abgeschmiert wird", behalte er sich vor, in Berufung zu gehen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort