Leverkusen Ein Jahr auf dem Chefsessel

Leverkusen · Er fährt immer noch mit dem Bus zur Arbeit. Er orientiert sich immer noch an seinen Wahlkampfversprechen. Er hat immer noch nicht die Dusche im Büro benutzt: Uwe Richrath (SPD) ist seit einem Jahr Oberbürgermeister von Leverkusen und sagt: "Ich habe immer noch sehr viel Lust weiterzumachen."

 ... hat das Schlafsofa aus seinem Büro entfernen lassen.

... hat das Schlafsofa aus seinem Büro entfernen lassen.

Foto: Miserius Uwe

365 Tage sind rum. Und vielleicht müsste im Oberbürgermeister-Büro von Uwe Richrath mal ein Klempner vorbeischauen. Oder der Hausmeister. Um zu testen, ob sie überhaupt noch funktioniert, die Dusche, die zur Zeit von Amtsvorgänger Reinhard Buchhorn in einem Dienstzimmer-Anbau installiert wurde. Denn Uwe Richrath hat die Duschkabine in seinem ersten Jahr auf dem Chefsessel der Stadt nicht genutzt. Dass er es mal tun wird? "Na, sagen wir mal, es ist gut, dass sie da ist. Für Extremsituationen. Aber wie diese Extremsituation aussehen könnte, da müsste ich erst noch überlegen", sagt Richrath und lacht.

Das Schlafsofa jedenfalls, das bisher im Büro gestanden habe, hat Uwe Richrath entfernen lassen. Er habe mehr Platz gebraucht für Akten - und für Dinge, die er im Oberbürgermeisterberuf braucht. Gummistiefel zum Beispiel für Diensttermine im Matsch.

 ... fährt liebend gerne Bus, aber auch mal mit dem Rad.

... fährt liebend gerne Bus, aber auch mal mit dem Rad.

Foto: Miserius Uwe

Der Stadtchef kann auch ernst. Musste er können in Jahr eins seiner Amtszeit. Denn die Themen, die Leverkusen derzeit beschäftigen, sind es auch: Autobahnausbau von Küppersteg (Tunnel statt Stelze auf der A1 und Ausbau der A3) bis A1-Rheinbrücke, Flüchtlingssituation in der Stadt... und die Finanzen. Gerade das letzte Thema treibt Richrath besonders um.

Wenn er einen Wunsch freihätte, dann "wünschte ich mir eine vernünftige Gewerbesteuersituation. Und dass man nicht in einer Haushaltssicherung sein und vieles erst absegnen lassen muss, sondern das Leverkusen wieder komplett selbstbestimmt sein kann. Alles andere hat die Stadt nicht verdient."

 ... sucht mit der Wirtschaft nach Gewerbesteuer-Lösungen.

... sucht mit der Wirtschaft nach Gewerbesteuer-Lösungen.

Foto: Stadt

Das ist wahrscheinlich Uwe Richraths größte Herausforderung - vor allem in den nächsten Monaten. Bis 2018 will die Stadt - bis dahin noch mit Hilfe des Landes - die schwarze Null schaffen, will aus der finanziellen Schieflage in die Balance zurück. Das heißt einerseits: Leverkusen muss massiv sparen, um das Ziel eines ausgeglichenen Stadtetats bis dahin auch zu erreichen. Andererseits hat sich der Oberbürgermeister dies als festes Ziel gesteckt: Auch mit Sparkurs "kann und darf die Stadtentwicklung nicht stehen bleiben".

Eine Schlappe hatten der Rheindorfer und sein Finanzdezernent Frank Stein erlebt, als sie in Sachen Gewerbesteuern bei Unternehmen in Leverkusen zum Klinkenputzen waren. Die Stadt ist mit dem Angebot, die Gewerbesteuer deutlich zu senken - im Gegenzug sollten die Firmen am Standort bleiben, bei der örtlichen Wirtschaft abgeprallt. Es gab keine einzige Rückmeldung, hatten Richrath und Stein im Sommer enttäuscht erzählt. Für 2018 geht die städtische Prognose von 79 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen aus, für dieses Jahr von 63,9, für 2017 von 78,4 Millionen Euro.

 ... ist für Gummistiefeleinsätze gerüstet.

... ist für Gummistiefeleinsätze gerüstet.

Foto: UM

Das Dilemma für die Stadtspitze: Auch an der Grundsteuer, die bis 2018 sukzessive auf 810 Punkte erhöht wird, könne man nicht unendlich drehen, versprach Uwe Richrath im Sommer.

Der gebürtige Rheindorfer, das wird in Gesprächen immer wieder deutlich, glaubt fest an seine Stadt. Das wird auch spürbar, wenn er nach einem Jahr im Amt auf die Frage, was für ihn persönlich das Bewegendste in der Zeit gewesen ist, antwortet: "die Solidarität wegen der Flüchtlinge". Als er am vergangenen Wochenende bei der Trauerfeier für Menschen ohne Angehörige war, sei ihm das nochmal ganz besonders durch den Kopf gegangen. "Es ist zum Beispiel gut, zu wissen, dass ich in der Flüchtlingsfrage in der Stadt die Kirchen an meiner Seite habe", sagt der bekennende Christ. Und kommt auf den Marokkanischen Verein zu sprechen. Den gebe es seit 23 Jahren in der Stadt, über Generationen. "Ich halt gar nichts davon, wenn bei diesen Themen gleich wieder irgendwo den IS gewittert wird. Die Vereinsmitglieder haben ein Recht auf ihre Religionsausübung auch in einer eigenen Gebetsstätte", sagt Uwe Richrath mit fester, entschlossener Stimme. "Wenn der Verein ein Grundstück auftut und eine Anfrage an die Stadt stellt, dann werden wir die bearbeiten." Für ein anderes Bauthema hatte sich der heutige Oberbürgermeister bereits im Wahlkampf stark gemacht: 1000 bezahlbare Wohnungen will er in seiner Amtszeit bauen. Aktueller Zwischenstand? "250 Baugenehmigungen in der Bearbeitung", sagt Uwe Richrath.

Fazit nach einem Jahr: "Ich habe noch sehr Lust, weiterzumachen" - nicht nur bei den 1000 Wohnungen, sondern insgesamt als Verwaltungschef, als Leiter der Ratssitzungen ("Trotz aller Streitkultur im Rat, bei großen Sachen in dieser Stadt hat es noch immer geklappt"), als Begleiter der Entwicklungen der City C ("Die Pläne sind toll, sie dienen dem Wohl der Stadt. Es wäre sehr gut, wenn eine Investorengruppe aus stadtfreundlichen Leuten das Projekt übernimmt"). Und als Ansprechpartner für die Bürger. Das, stellt der 55-Jährige heraus, sei ihm seit Amtsantritt wichtig gewesen. Und die Bürger nehmen den fast leidenschaftlichen Busfahrer ("Ich fahre immer noch Bus zum Büro und vom Büro nach Hause. Das ist für mich Entspannung") tatsächlich beim Wort und stehen bei Spontanbesuchen im Oberbürgermeister-Büro. Jüngere, Ältere, Schüler. Manche wollen reden, Anliegen vortragen, Meinung hören. "Und manche wollen einfach nur ein Selfie mit mir", sagt Richrath und lacht.

(RP)
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