Leverkusen Diskussion um Türkei-EU-Beitritt

Leverkusen · Die politische Lage ist angespannt. In der Frage eines EU-Beitritts sind die Bedenken groß. Insbesondere bei der Zypernfrage war keine Annäherung in Sicht. So die Einschätzung während der Diskussion im Vermittlungsausschuss der Europäischen Kommission. Die tagte ausnahmsweise nicht in Brüssel, sondern mitten in Opladen, in einem Raum der Marienschule.

Schüler der Grund- und Leistungskurse Sozialwissenschaften Stufe 12 waren bereits am Vortag in die Rollen verschiedener Staatsvertreter und Beobachter geschlüpft. Bei der Debatte gestern Mittag, kurz vor finaler Abstimmung und Abschiedsfoto, hatten sich schon alle an die Denkweise in einer bestimmten Position gewöhnt. Die 17-jährige Viktoria Lauterbach, die nach dem Abitur im nächsten Jahr Wirtschaftschemie studieren möchte, war für zwei Tage Repräsentantin der Europäischen Kommission. Nach der Diskussion glaubte sie nicht mehr an eine Kompromisslösung zum Abschluss.

Die war auch keineswegs verlangt, erklärt Johannes Bodensteiner, der das zweitägige Planspiel zum Thema "Die Türkei - der überflüssige oder überfällige EU-Beitrittskandidat?" mitentwickelt und im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung an diversen anderen Schulen durchgeführt hat. Vorgegeben wird grundsätzlich nur der Rahmen mit Rollenbeschreibungen, Infomaterial und jeweils einem speziellen Diskussionsthema. "Wir wissen nie was passiert", sagt er. Jedes Spiel laufe anders. Manche Kurse würden ganz streng vorgehen, andere zeigten mehr Kompromissbereitschaft. Hier in der Marienschule sei die Gruppe sehr stark, sowohl inhaltlich als auch im Umgang miteinander.

Die aktuelle Berichterstattung über die Entwicklung in der Türkei und über Erdogan wurde bewusst ausgeklammert. Grundlage des vor eineinhalb Jahren konzipierten Spiels waren ausschließlich offizielle Statements der beteiligten Staaten und der EU-Kommission. Zwar wurden hin und wieder Bemerkungen zum Brexit gemacht, aber als Fakt spielte das in der Diskussion keine Rolle.

Ziel der Simulation in der Marienschule war nicht die Lösung eines politischen Problems, sondern hautnah zu erleben, wie schwierig es ist, die eigene Überzeugung in einem demokratischen System einzubringen und gemeinsam Kompromisse auszuhandeln.

Und das war auch schon so schwierig genug, ohne eine zusätzliche Verschärfung durch das Aushebeln demokratischer Strukturen in der Türkei. Der spielerische Ansatz von Politikvermittlung kam bei den Schülern jedenfalls durchweg sehr gut an. Vor allem, weil sie durch Rollenzuweisung gezwungen waren, die unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen in der Europäischen Union nachzuvollziehen.

(mkl)
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