Leverkusen Die wunderbar fremde Welt der "Sardischen Tenöre"

Leverkusen · Der einstimmige Anfang klingt durchaus vertraut und erinnert an den rezitierenden Psalmgesang eines Priesters. Aber sobald die drei Kollegen des Vorsängers einstimmen, fühlen sich die Zuhörer in eine fast mystische, jedenfalls fremde Welt versetzt.

Genau genommen in die dörfliche Kultur Sardiniens, wo die Tradition des "Cantu a tenore" über 3000 Jahre hinweg gepflegt wurde. Weitergegeben von einer Sängergeneration zur nächsten, notierte Dokumente gibt es nicht. Zum Abschluss der Saison präsentierte KulturStadtLev diesen archaischen Gesang, der ganz ähnlich auch auf Korsika gepflegt wird, in einem Konzert. Passend zum Spielzeitthema "Lebens(t)räume" und vielleicht als Urlaubseinstimmung gastierten die Tenores di Bitti "Mialinu Pira" - sie zählen zu den bedeutendsten Vertretern dieses Genres, die ihre überlieferte Kultur in andere Länder tragen. Sie haben unter anderem Japan und Brasilien bereist, standen auf der Bühne des Amsterdamer Concertgebow genauso einander zugewandt wie am Freitagabend im Altarraum der Opladener Bielertkirche. Der "Cantu a tenore" verlangt eine sensible Ensemblearbeit. Die Sänger hören und spüren einander, wenn sie ihre eigenen Stimmen in den Gesamtklang einfügen, der die vertraute Singweise mit einer speziellen Form des Oberton- beziehungsweise Untertongesangs mischt. Bassu und Contra heißen diese gutturalen Stimmen, die für Tiefe und Fülle sorgen und manchmal geradezu instrumental klingen - wie der gehaltene Bordunton eines Dudelsacks.

Und wenn der Schlussakkord endet, hört man ein mechanisches Klacken, mit dem der Luftstrom abbricht. Die relativ kleine Kirche war nicht nur wegen der idealen Akustik der passende Ort, sondern auch wegen des Inhalts. Die Sardischen Tenores, die zwischen den Beiträgen auch etwas über ihre historischen Fest-Trachten und die Bedeutung der Verzierungen erzählten, hatten neben einigen weltlichen Liedern und Tänzen vor allem geistliche Gesänge dabei, die ihren festen Platz im kirchlich geprägten Dorfleben haben. Beispielsweise Texte von der Passion Christi oder den Schmerzen der Mutter Maria, die bei den Prozessionen in der "Settimana santa" zwischen Palmsonntag und Ostern erklingen. Oder das Lied des Jesuskindes, das von Tenorgruppen wie dieser zwischen dem ersten Weihnachtstag und dem Erscheinungsfest am 6. Januar als frohe Botschaft in die einzelnen Häuser getragen wird. Für die Zuhörer war es interessant, durch die übersetzte Moderation mehr über die Traditionen und die Bedeutung der Liedinhalte zu erfahren. Denn gesungen wird auf Sardisch, das kein italienischer Dialekt ist, sondern eine eigene Sprache zwischen Latein und Spanisch.

Eine Mischung, die sich auch in den Melodien zeigt, die mal an orthodoxen Gesang erinnern, mal arabische oder maurische Elemente aufweisen. Die Zuhörer waren begeistert von diesem Gesang, und die Tenores versicherten, die Empathie des Publikums zu spüren.

(mkl)
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