Leverkusen Das Bundesjugendballett tanzt in Schwimmbecken und Gefängnissen

Leverkusen · Die sechsjährige Finia ist ganz aufgeregt. Zum ersten Mal schaut sie sich Ballett an. Deshalb wollte sie mit ihrer Cousine unbedingt ins Erholungshaus. Denn dort ist das Bundesjugendballett zu Gast. Acht Tänzer sind auf der Bühne und choreografieren mehr als zwei Stunden. "Manches davon kann ich schon", erzählt die kleine Ballerina Finia. Sie sei selbst bereits im Tanzunterricht. Eines Tages möchte sie ebenfalls auf der großen Bühne stehen.

So wie Larissa Machado und ihre Mitstreiter vom Bundesjugendballett. Die Tänzer kommen nicht nur aus Deutschland. Sie sind in der ganzen Welt beheimatet: Portugal, USA, Großbritannien, Schweden oder Australien. Doch auf der Bühne sind sie vereint.

Larissa wuchs in Brasilien auf und begann im Alter von zehn Jahren mit dem Tanzen. Getrieben von der Leidenschaft für die Bewegung war sie sich damals schon sicher, dass Tanz ein beständiger Teil ihres Lebens werden sollte. In ihrer Heimat Brasilien besuchte sie mehrere Ballettschulen, bevor sie ihre professionelle Ausbildung an der Palucca-Hochschule für Tanz in Dresden antrat. Heute sagt sie, dass Tanz für sie ein unendlicher Lernprozess sei - nicht nur in Bezug auf die Technik, sondern auch für die eigene Persönlichkeit.

Bei den einzelnen Stücken an diesem Abend merkt man deutlich das Handwerk des Intendanten John Neumeier, der sich den Traum einer Tanzcompagnie erfüllte. Ziel sei es, den Tanz zu allen Menschen zu bringen und nicht die Menschen zum Tanz. Deshalb spielen sie oftmals an kuriosen Orten wie in einem leer gepumpten Schwimmbecken. Aber auch in Altenheimen und Gefängnissen. Große Showbühnen seien nicht so ihr Ding.

Doch das sieht im großen Saal im Erholungshaus anders aus. Filigran, wie die acht Personen zu Johan Sebastian Bachs klassischen Stücken rund 20 Minuten tanzen. Dynamisch, aber auch geheimnisvoll, wie sie Gustav Mahlers Klavierquartettsatz a-Moll interpretieren. Ästhetisch, wie sie neue Choreografien präsentieren.

Dabei erleben die Zuschauer einige Live-Premieren. Zum Beispiel "Totilas - Der Ritt", bei dem viel Gelächter ausbricht. Ungewöhnlich für ein Ballettpublikum. Doch wenn Tilman Patzak mit seinen schulterlangen roten Haaren solo als Dressurpferd über die Bühne hüpft und passend zu einem TV-Dressurreiter-Mittschnitt von Sportkommentator Carsten Sostmeier tanzt, wirkt der 20-jährige Münchener dabei urkomisch. Wunderbar.

Dem Bundesjugendballett gelingt es, klassisches Ballett mit modernem Stil zu vereinen. Es ehrt die Vergangenheit mit dem Einstudieren von Werken der Ballettgeschichte, erlebt die Gegenwart in der Arbeit mit zeitgenössischen Choreografen und investiert in die Zukunft des Tanzes durch eigene Kreationen und die Förderung junger Choreografie-Talente.

Finia ist mittlerweile ganz schön müde. Es ist nicht üblich, dass die wohl Jüngste unter den Gästen spät abends noch wach ist. Doch sie ist vom Tanz so begeistert, dass sie noch im Foyer des Erholungshauses einige Figuren nachtanzt. Ein gelungener Abend.

(hawk)
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