Leverkusen Busbahnhof - das geplante Chaos

Leverkusen · Heute beginnt der Umbau des Busbahnhofs in Wiesdorf. Schon gestern gab es jede Menge Verwirrung und Ärger rund um die Ersatzhaltestellen. Ein Leitsystem ist nicht erkennbar.

Gestern Vormittag gegen 9:30 Uhr: Schon seit 20 Minuten geht die ältere Dame am Busbahnhofs Wiesdorf nervös auf und ab: Sie kann beobachten, wie die großen Fernbusse nach Paris und anderen europäischen Zielen aufbrechen - aber der Bus zu ihrem eigenen Fahrtziel Opladen ist nirgends zu sehen.

Irgendwann wird sie unruhig. Sie steht auf und fragt einen Passanten. Er geht mit ihr zu einem Anschlag an einer Schautafel, den die alte Dame zuvor übersehen hat, weil so gut wie nichts drumherum darauf hinweist, dass heute etwas anders ist als sonst. "Sie müssen entweder zur Rathaus-Galerie A oder zur Rathenaustraße", erläutert der freundliche Mann den Plan. Die alte Dame dreht frustriert ab: "Ich weiß nicht, was Rathaus-Galerie A bedeutet — und den Weg zu der anderen Straße traue ich mir nicht zu, da verlaufe ich mich." Konsequenz: Sie fährt lieber wieder nach Hause.

Es ist nur eine von vielen Szenen, wie sie gestern am Busbahnhof Wiesdorf zu beobachten sind — zigfach und mit immer gleichem Ablauf. Und doch ist es wohl nur ein Vorgeschmack auf das Chaos, das ab heute droht.

Heute startet der Umbau des Zentralen Busbahnhofs, der rund anderthalb Jahre dauern wird. Auslöser dafür ist neben dem schlechten baulichen Zustand und der fehlenden Barrierefreiheit vor allem die Einführung des Rhein Ruhr Express (RRX) sowie ein dadurch notwendiges zusätzliches S-Bahn-Gleis. Weil der Busbahnhof während der Bauzeit für den Linienverkehr gesperrt wird kommt es laut Stadt an den Ersatzhaltestellen "zum Teil zu längeren Umsteigewegen und veränderten Abfahrtszeiten".

Doch darauf aufmerksam gemacht wird gestern auf dem Gelände kaum: Keine Transparente oder Plakate, die an den Bussteigen hängen und Fahrgäste überhaupt erst einmal darauf aufmerksam machen, dass sie andere Punkte anlaufen müssen. Keine Wegweiser-Schilder oder auf dem Boden angebrachte Pfeile zu den Ersatz-Haltestellen:
Einzig ein Mitarbeiter des Verkehrsunternehmens wupsi bewegte sich gestern tapfer von Baustelle zu Baustelle und gab mündlich die Hinweise, die sich vielleicht auf dem komplizierten Faltblatt, das er verteilte, befanden, aber nirgendwo vor Ort verständlich aufbereitet für die Reisenden abrufbar waren.

Wenn sich bis heute nichts weiter tut, ist ziemlich sicher mit folgenden Auswirkungen zu rechnen:

  • Laufwege Die neue Zeit für den Weg von den Bahnsteigen bis zur Ersatzhaltestelle Rathenaustraße beträgt bis zu 6 Minuten, bei normalem Schritttempo. Bisher waren es etwas mehr als 100 Sekunden. Man muss kein Verkehrsexperte sein, um vorauszusehen, dass die Leute künftig ihren Weg quer über die stark befahrene Straße suchen werden, anstatt den Umweg zu laufen.
  • Behinderte haben an der Haltestelle Rathenaustraße zum Bahnhof hin immer den weitesten Weg, weil die Haltestelle nur an einer Seite ebenerdig ist. Auf der anderen ist eine Treppe mit fünf Stufen angebracht — übrigens bislang noch ohne jedes Geländer.
  • Tunnel Behinderte können auf dem Weg zur City den Tunnel unter den Bahngleisen nicht benutzen, weil sich am Bahnhofsgebäude nur eine Treppe befindet. Der Umweg ist teils gewaltig und schwer zu verfolgen.
  • Gefährliche Nachbarschaft Der Weg zur Haltestelle Rathenaustraße grenzt in Richtung Wiesdorf an einen schmalen Radweg. Konflikte dürften kaum zu vermeiden sein.
  • Der Fußgängerübergang zwischen Forum und Kinopolis erhält eine Fußgängerampel. Für die Busfahrer auf der Auffahrt zum Europaring bedeutet das eine zusätzliche, aber unwillkommene Pause.
  • Angsträume Die Wege zu den neuen Haltestellen Rathenaustraße und teils auch zum Kinopolis-Kreisel im Dunkeln führt durch Ecken, die man durchaus als Angstraum einstufen kann — schon wegen der zahlreichen Büsche.
  • Kein Leitsystem Der größte Negativpunkt ist und bleibt aber das Fehlen jeglichen Leitsystems. Ein Manko, das insbesondere auswärtigen Fahrgästen bei ihrer Ankunft geradezu ins Gesicht springt.

Detlef Neuß ist Bundesvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Der Mönchengladbacher kennt sich mit Problemen dieser Art aus. Er sagte gestern auf Anfrage unserer Redaktion: "Bei Baustellen dieser Größenordnung kann man gar nicht intensiv genug informieren." Ein umfangreiches Team von Mitarbeitern gehöre vor Ort, dessen Mitglieder jemanden wie die ältere Dame vom Wiesdorfer Busbahnhof "notfalls auch persönlich zu ihrem neuen Haltepunkt führen können." Infotafeln, notfalls auch Pfeile auf dem Boden — "es sollte so viele einfache und hilfreiche Informationen wie möglich geben, sagt Neuß.

Dies werde aber oft versäumt, "und es gibt leider auch keine gesetzliche Verpflichtung dazu", berichtet der Experte. Insofern seien Städte und Verkehrsunternehmen frei darin, zu entscheiden, wie viel oder wenig Infos sie betreiben.
"Ein gutes Verkehrsleitsystem ist eine Bringschuld und darf nicht erst nach einer Welle von Beschwerden eingerichtet werden", sagt Neuß. Er könne allen Bürgern, die in die Baustellen-Falle laufen, nur raten, sich offiziell zu beschweren, "sonst ändert sich nämlich nie etwas."

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