Leverkusen Bilder wie Diagramme beim Kunstverein zu sehen

Leverkusen · Wie ein Wasserfall ergießt sich die 6,2 Meter lange und über zwei Meter breite Zeichnung von der Decke in den großen Ausstellungsraum des Kunstvereins Leverkusen in den Schlossremisen. In krassem Gegensatz zu der Präsentation, die den natürlichen Gesetzen der Schwerkraft folgt, steht die klare Struktur der schwarzen Zeichenlinien, in denen man die schematisierte Darstellung von Ballungsräumen in einer im Hintergrund zart angedeuteten Landschaft erkennen mag. Doch keines dieser hohen Häuser ist wirklich geerdet auf dem Grund, die Seitenlinien beginnen unten im Nichts, sind nur oben deutlich begrenzt.

Tatsächlich dachte die Künstlerin Katja Davar bei ihrem "Curious Debt", das wie alle anderen Arbeiten für dieses Gastspiel beim Kunstverein entstanden ist, an Baumdiagramme, wie man sie in Wirtschaft und Wissenschaft benutzt, um Dingen auf den Grund zu gehen, sie zu analysieren und Lösungswege zu suchen. Die weltweite Finanzwirtschaft mit immensen Schuldenbergen hat sie zu dieser übergroßen Zeichnung veranlasst. Mit den Zentren, die der Besucher auf den ersten Blick als stilisierte Metropolen wahrnimmt, hat sie die Kontinente angedeutet, in denen sie Beziehungsstrukturen sichtbar machte. "Irgendwann bin ich durcheinander gekommen", meinte Katja Davar. Genau wie Politik und Wirtschaft habe sie nicht die Lösung gefunden. Das hatte sich die Künstlerin natürlich nicht wirklich vorgenommen. Sie hat diese streng formale Arbeit nicht als konkrete Abbildung eines Fakts komponiert, sie hat sich vielmehr der Formensprache der Wirtschaft bedient, um auf die Komplexität der Probleme hinzuweisen. In der Struktur lassen sich auch kompliziert gebaute Mobiles erkennen. Auch dieses Bild passt, weil daran deutlich wird, dass kleinste Veränderungen im System das momentan ausgependelte Ganze außer Kontrolle geraten lassen.

In kleineren Monotypien hat Katja Davar Ausschnitte aus der Großzeichnung herausgenommen und variiert. Im hinteren Raum zeigt sie ausschließlich eine Videoarbeit "Elastic Gesture" von 5,39 Minuten Länge, die in Schleife läuft. Es sind ästhetische Bilder von einem bemalten Seidentuch, das schwerelos in der Luft zu tanzen scheint, sich dabei windet und dreht. Bis es am Ende den Schwerkraft-Gesetzen der Natur folgend zur Erde sinkt und dabei die aufgedruckten Zeichnungen zu verschlingen scheint. Als Fortsetzung der anderen Arbeiten hat Katja Davar das Tuch mit ähnlichen, aber weniger exakten Motiven versehen, es in die Luft geworfen und mit einer High-Speed-Kamera, die 1000 Bilder pro Sekunde macht, gefilmt. Aus mehr als vier Stunden Material hat sie dieses still und leicht anmutende Video konzentriert.

Katja Davar "Shapes of Cascading Hierarchy" beim Kunstverein Leverkusen Schloss Morsbroich, Gustav-Heinemann-Str. 80. Eröffnung heute, 3. September, 19.30 Uhr, Öffnungszeiten ab 13. September: Do./ Fr. 13-17 Uhr, Sa./So. 11-17 Uhr, 24. September und 8. Oktober 13-21 Uhr, während der 11. Leverkusener Kunstnacht am 23. Oktober.

(mkl)
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