Bergisch Neukirchen Beim Friseur: Märchen vom Glück machen glücklich

Bergisch Neukirchen · In den Räumen des Friseurgeschäftes in der alten Krautfabrik herrscht gespannte Stille. Alle Zuhörer hängen gebannt an den Lippen der sympathischen Frau, die vorne steht und erzählt.

 Auf der Suche nach dem Glück - Lesung beim Friseur mit Veronika Ulrich, und Anja Steiner zupft dazu die Harfe.

Auf der Suche nach dem Glück - Lesung beim Friseur mit Veronika Ulrich, und Anja Steiner zupft dazu die Harfe.

Foto: Ralph Matzerath

Denn sie erzählt vom Glück, genauer gesagt, vom Glück eines reichen Bauern, das der arme Nachbarbauer des nachts Roggen säen sieht. Da bittet er das Glück, auch auf seinem Feld zu säen, doch es lehnt ab. "Ich bin das Glück deines Nachbarn", betont es. Ja, aber wo denn dann sein Glück sei, fragt der arme Bauer und erhält zur Antwort, sein Glück liege hinter einem großen Stein und schlafe. Tatsächlich findet der Bauer sein Glück schlafend vor, und als er es aufweckt, erklärt es, es sei wohl sein Glück, ja, aber es sei eben nicht das Glück eines Bauern. "Nach einigen Tagen verkaufte der arme Bauer alles, zog in die Stadt und wurde Kaufmann", beendet Veronika Uhlich das Märchen, "und das Glück kam zu ihm. Und so wurde er nicht nur sehr reich, sondern auch sehr glücklich."

Es war ein Märchen aus Estland, das die ausgebildete Märchenerzählerin Veronika Uhlich während des märchenhaften Abends im Rahmen von LEVliest lebendig und kurzweilig erzählt hat. "Ich bin schon seit 2007 bei LEVliest dabei", sagt sie. Zum vierten Mal im Friseurgeschäft von Ute van Haren. "Sie ist eine Kundin von mir, und so hat es sich ergeben, dass hier die Lesungen stattfinden", erklärt die Inhaberin. Das Ambiente ist ungewöhnlich für einen Märchenabend, doch die Atmosphäre ist stimmungsvoll. Schon zu Beginn mussten noch Stühle herbeigeschafft werden, da alle Plätze schnell besetzt waren. Unter dem Motto "Märchen von der Sehnsucht nach dem Glück" hatte Veronika Uhlich vor allem Märchen mitgebracht, die man nicht sofort kennt. "Aus Irland, aus China", erzählt sie. Und Harfenistin Anja Steiner hat die passenden Stücke dazu ausgewählt. "Oder ich improvisiere", verrät sie. Und was könnte besser zu Märchen passen, als die stillen und romantischen Klänge einer Harfe? Seit zehn Jahren ist Veronika Uhlich nun schon Märchenerzählerin von Beruf. "Ich habe früher beim Fernsehen gearbeitet", erzählt sie. Dann bekam sie ein Kind, und als ihr die Decke auf den Kopf fiel, entschied sie sich, eine Ausbildung zu machen - zunächst eineinhalb Jahre beim Figurentheater-Kolleg in Bochum und dann noch eine Zusatzausbildung bei der Europäischen Märchengesellschaft. Alles, was sie vorträgt, kann sie auswendig. "Ich habe etwa achtzig Märchen im Repertoire", sagt sie. Für manche braucht sie nur ein paar Stunden, für andere Wochen, um sie einzustudieren. Vor Kurzem hat sie, gemeinsam mit anderen Märchenerzählern, das Buch "Märchen für Menschen mit Demenz" geschrieben. Und dann entführt sie das Publikum nach Schottland, wo ein Mann eine ganz besondere Geschichte erlebt, die so zauberhaft ist, dass ihm keiner glaubt, aber alle sind begeistert davon - so wie die Zuhörer im Friseurgeschäft.

(RP)
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