Bayer Leverkusen Das leise Zittern unter dem Bayer-Kreuz

Leverkusen · In der Zentrale von Bayer 04 will niemand das böse A-Wort in den Mund nehmen, und schon am Samstag kann die Werkself den Abstieg abwenden. Doch was passiert, wenn das nicht gelingt? Eine Stadt zittert mit.

 Glanz und Gloria 1988: Bayer 04 holt unter Trainer Erich Ribbeck den Uefa-Cup. 29 Jahre später macht sich im Tabellenkeller Ratlosigkeit breit, auch bei Leitwolf Stefan Kießling. Doch schon am Samstag gegen den Lokalrivalen aus Köln könnten die Bayer-Profis nach einem Sieg jubeln und ihre Fans aufatmen lassen.

Glanz und Gloria 1988: Bayer 04 holt unter Trainer Erich Ribbeck den Uefa-Cup. 29 Jahre später macht sich im Tabellenkeller Ratlosigkeit breit, auch bei Leitwolf Stefan Kießling. Doch schon am Samstag gegen den Lokalrivalen aus Köln könnten die Bayer-Profis nach einem Sieg jubeln und ihre Fans aufatmen lassen.

Foto: Peter Thönes, Uwe Miserius

In Uwe Richraths Kleiderschrank liegt der Fanschal akkurat gefaltet und wartet darauf, am Samstag angelegt zu werden. Am Spieltag lässt Leverkusens Oberbürgermeister die Flagge von Bayer 04 vor dem Rathaus, den Verwaltungsstellen in Opladen und Wiesdorf sowie vor dem Straßenverkehrsamt hissen. "Die Stadt zeigt Flagge für den Verein, denn es geht um viel", sagt Richrath. Und wenn es nicht hilft? "Eine sportliche Katastrophe, aber kein Untergang für die Stadt", betont der OB. "Es bliebe ein guter Club mit engem Gefüge zur Stadt und dem Ansporn, schnell wieder aufzusteigen."

In der Bayer 04-Zentrale will niemand das böse A-Wort in den Mund nehmen. Geschäftsführer Michael Schade nicht, auch Fan-Direktor Meinolf Sprink nicht. "Das wäre Katastrophen-Tourismus", sagt Sprink und verweist auf die "beste Ausgangssituation im Abstiegskampf". Das Team könne den Abstieg aus eigener Kraft abwenden.

Auch Bayer 04 hat Plan B

Marketing-Direktor Jochen Rotthaus lässt immerhin durchblicken, dass es einen Plan B gibt. "Es gibt keinen Verein, der nicht alle Szenarien durchgeht und vorbereitet ist. Das gehört zur professionellen Ausrichtung." Zum Lizensierungsverfahren der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gehören eben Pläne für beide Ligen. "Das machen 12 von 18 Vereinen so", sagt Rotthaus. Über Zahlen spricht er erwartungsgemäß nicht.

Anders als etwa die Borussia Dortmund AG muss die Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH keinen Geschäftsbericht vorlegen. Im Konzernabschluss 2016 der Mutter Bayer findet sich lediglich der Hinweis auf Erträge der Fußballtochter in Höhe von 32 Millionen Euro "aus dem Verkauf von Transferrechten". Bekannt ist, dass der Mutterkonzern seine Fußball GmbH jährlich mit rund 25 Millionen Euro unterstützt. 273,95 Millionen Euro schwer ist der 27-köpfige Kader nach Berechnungen des Internetportals "transfermarkt.de". Dass dieser Kader im Abstiegsfall nicht annähernd zu halten wäre, versteht sich von selbst.

Welche finanziellen Folgen ein Abstieg für Bayer 04 hätte, lässt sich erahnen, wenn man das Sportfinanzportal "fussball-geld.de" klickt. Unter den finanzstärksten Bundesligaclubs wird Leverkusen mit geschätzten Gesamteinnahmen von 147,73 Millionen Euro auf Platz sechs gelistet. Allein an TV Geldern sind eingepreist: 38,9 Millionen Euro (national), 18,3 Millionen Euro (international), als Ertrag aus dem Spielbetrieb der Champions League im laufenden Jahr 40,5 Millionen Euro. Zum Vergleich: Dem Zweitliga-Tabellenführer VfB Stuttgart stehen für die laufende Saison TV-Gelder von insgesamt 11,3 Millionen Euro zur Verfügung. "Weil wir in den letzten Jahren sehr gut eingenommen haben in der Champions League, können wir auch ein Jahr ohne Gelder aus dem Europapokal überstehen", hatte Rudi Völler kürzlich gesagt. Vom Abstieg sprach er nicht.

"Hier stehen Jobs und Existenzen auf dem Spiel"

Seit dem Aufstieg 1979 ist Bayer 04 Leverkusen ununterbrochen in der 1. Bundesliga, wurde fünfmal Vizemeister, holte 1988 den Uefa-Pokal und 1993 den DFB-Pokal. Nur einmal, 1981/82, musste die Mannschaft in die Relegation und besiegte in zwei Spielen Kickers Offenbach. Doch die Geschichte ist wandelbar. Niemand hätte gedacht, dass das Römische Reich je unterginge. Dann kamen die Hunnen.

Am Samstag steht der Leverkusener Limes gegen die derzeit so spielgewaltigen "Hunnen" aus Köln. Bayer-Kapitän Stefan Kießling hat sein Team eingeschworen: "Hier stehen Jobs und Existenzen auf dem Spiel, das sollte jeder wissen. Schönspielerei zählt nicht mehr. Wir müssen Gas geben, und jeder einzelne muss sich den Arsch aufreißen." Seither hängen die tragenden letzten beiden Worte des Mannschaftsführers als Transparent in der Nordkurve. Nun zählt also erst mal die Doppel-A-Parole, und die Fanclubs haben angekündigt, am Samstag auf der Bismarckstraße ein "Motivationsspalier" in Vereinsfarben für den Mannschaftsbus zu bilden.

"Das Engagement im Profifußball ist nicht Teil unserer gemeinsamen Sportförderung, sondern Instrument der Imagewerbung des Konzerns", heißt es im Geschäftsbericht 2016 von Bayer. Wie die Konzernführung reagiert, wenn aus dem vom Verein seit 2010 als Marke geschützten "Vizekusen" ein "Abstiegskusen" würde, lässt sich nicht absehen. Noch ist es nicht soweit. Zwei Spiele der Hoffnung bleiben. Eine Stadt zeigt Flagge, fiebert mit und schaut zu, wie sich die Werkself professionell den A... aufreißt.

(bu)
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