Leverkusen Am "Lise" gibt es jetzt Islamunterricht

Leverkusen · Das Gymnasium bietet den Religionsunterricht auf Wunsch der muslimischen Eltern in allen Klassenstufen an.

Kardrive Acar ist Quereinsteigerin. Die frühere Journalistin ist nun Lehrerin. In einer Islamklasse des Lise-Meitner-Gymnasiums vermittelt sie den Kindern die Grundlagen des muslimischen Glaubens.

Kardrive Acar ist Quereinsteigerin. Die frühere Journalistin ist nun Lehrerin. In einer Islamklasse des Lise-Meitner-Gymnasiums vermittelt sie den Kindern die Grundlagen des muslimischen Glaubens.

Foto: Ralph Matzerath

Kurz nach 10 Uhr beginnt der Islamunterricht für 20 Fünftklässler in einem Pavillon-Klassenzimmer des Lise-Meitner-Gymnasiums. Kadriye Acar, die 49-jährige Islamlehrerin, fragt die Hausaufgaben ab. Sie will von ihren Schülern wissen: "Wie halten es die Christen mit Beten, Spenden, Fasten und Pilgern?" - und die Kinder reißen sich darum, ihre Erkenntnisse zum Besten zu geben. Gemeinsame Feststellung: Alles ganz ähnlich wie bei uns, nur Pilgerfahrten kennen die Christen nicht. Und: "Fasten und Spenden sind freiwillig, Gebete nicht an bestimmte Zeiten gebunden", wie Khan erzählt. Eins der Kinder weiß, dass die Christen zehn Gebote haben, "aber die habe ich jetzt nicht alle aufgeschrieben" - das hatte auch keiner verlangt.

Demnächst will die Islamklasse zusammen Döner essen gehen: Um zu klären, was "halal", also rein ist, und gegessen werden darf. Auf diesen Ausflug freuen sich die Kinder schon.

Lehrerin Kadriye Acar ist eine Quereinsteigerin. Nachdem die gebürtige Türkin als freie Journalistin lange in der Welt herumgejettet und religionsübergreifende Themen beackert hatte, entschloss sie sich - unter anderem wegen ihrer kranken Eltern - noch einmal umzusatteln. Acar hat Politik und Geschichte studiert, ebenso Islamwissenschaft und setzt jetzt noch ein Referendariat darauf. Ihr Antrieb: Eine Kindheit im Sauerland, wo sie die Ausgrenzung hautnah erlebt hat: "Wenn im Dorf eine Katze fehlte, hieß es, dass wir die gegessen haben." Und wenn die Mitschüler wissen wollten, wie Moslems beten, haben sie Acar gefragt. Die kam zwar nicht aus einer religiösen Familie, aber sie wusste, wo sie dieses Wissen nachschlagen konnte: in Büchern. Jetzt will sie den muslimischen Kindern und Jugendlichen spielerisch die Grundlagen über ihren Glauben vermitteln. Das ist offenbar nötig, denn die Masse ihrer Schüler weiß "wenig bis gar nichts über den Islam und dessen Grundlagen", hat Acar festgestellt. Und dann gibt es Schüler, die regelmäßig in die Moschee gehen und schon einiges über den Islam wissen. Kadir und Enes, beide 14, gehören in diese Gruppe. Sie interessieren sich nach eigenem Bekunden "für die verschiedenen Richtungen im Islam, für Judentum und Christentum."

Im Lehrerzimmer sitzt Schulleiter Wolfram Schrimpf und erklärt, wie es zum Islamunterricht an der "Lise" kommt: "Das ging von den muslimischen Eltern aus, die haben Unterschriften gesammelt. Und dann habe ich mal gerechnet und festgestellt, dass ein Fünftel unserer Schüler muslimischen Glaubens ist. Wir unterrichten evangelische und katholische Religion. Da ist es doch nur fair, wenn wir auch Islamunterricht anbieten."

Schrimpf wandte sich an die Bezirksregierung und beantragte eine Stelle für eine solche Lehrkraft. "Uns war der liberale Ansatz sehr wichtig, der Dialog zwischen den Religionen", erklärt der Schulleiter.

Das ist auch Kadriye Acars Anliegen: " Ich sage den älteren Schülern, auch Moslems sollen Spaß haben im Leben. Es gibt keine Erbsünde, die üble Nachrede ist verboten. Und vieles, etwa das Verbot, Schweinefleisch zu essen- verdient eine nähere Betrachtung. Ich sehe mich als Lehrerin und Ratgeberin."

(ilpl)
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