Marodes Bauwerk in Leverkusen A1-Rheinbrücke — Experten warnen vor China-Stahl

Leverkusen · Politiker, aber auch Fachleute haben Bedenken, dass das Material für die neue A1-Brücke zum großen Teil aus China kommt. Sie befürchten Qualitätsmängel, weil asiatische Hersteller nicht den deutschen Anforderungen entsprächen.

 32.000 Tonnen Stahl werden für die neue Doppelbrücke verbaut. Zwei Drittel davon sollen aus China kommen.

32.000 Tonnen Stahl werden für die neue Doppelbrücke verbaut. Zwei Drittel davon sollen aus China kommen.

Foto: Ingenieurbüro Grassl / Firmhofer + Günther Architekten

Die neue A 1-Rheinbrücke macht der Bürgerliste Sorgen. Nicht nur wegen des damit befürchteten zusätzlichen Feinstaubs und Verkehrslärms, sondern auch wegen des verwendeten Materials. In einem offenen Brief will Erhard Schoofs von Oberbürgermeister Uwe Richrath wissen, ob die österreichische Firma Porr deshalb den Zuschlag für den Brückenbau erhalten habe, weil sie das preiswerteste Angebot vorgelegt habe - und zwar deshalb, "da hier staatlich subventionierter Stahl aus China zur Verarbeitung kommen soll". Schoofs fordert dazu eine "umgehende Stellungnahme der Verkehrsministerien Bund und Land".

Der Landesbetrieb Straßen NRW bestätigt die Auftragsvergabe an das Unternehmen Porr. Bedenken beim Einsatz von chinesischem Stahl sieht er allerdings nicht. "Der jeweilige Auftragnehmer ist verantwortlich für die Kalkulation und entscheidet immer selber, woher er sein Material bezieht", teilt Timo Stoppacher, Sprecher von Straßen NRW mit. "Er muss dabei den geltenden Qualitätsanforderungen Genüge leisten."

Nach Angaben der Firma Porr soll nur zum Teil chinesischer Stahl verwendet werden. 32.000 Tonnen Stahl würden insgesamt für die neue Doppelbrücke zwischen Leverkusen und Köln verbaut, teilt Konzernsprecherin Sandra Bauer mit. "Davon kommen circa ein Drittel aus Deutschland und circa zwei Drittel aus China. Die Qualität entspricht allen Richtlinien, die auch in Deutschland gefordert werden." Zwischen chinesischem und deutschem Stahl gibt es dem Unternehmen zufolge keine Unterschiede - "außer kürzeren Lieferzeiten für das Rohmaterial und größeren Montageteilen und damit verbunden weniger Baustellenschweißnähte".

Man habe bereits gute Erfahrungen gemacht. "In Deutschland wurden schon Brücken für die Deutsche Bahn - zum Beispiel die Mainbrücke Deggendorf - mit chinesischen Stahl gebaut", sagt Bauer. "Wir als Porr haben die Brücke über die Save in Belgrad erfolgreich mit chinesischen Stahl gebaut."

Dagegen sieht man beim Düsseldorfer Verein "Bauforumstahl" den Einsatz des Materials aus dem Fernen Osten kritisch. In dem Verein haben sich unter anderem Stahlhersteller, -händler, -bauer, Zulieferer, und Vertreter der Wissenschaft zusammengeschlossen. "In China wird eine hohe Bandbreite an Stahlqualitäten produziert: Es gibt sowohl qualitativ hochwertigen als auch Stahl sehr geringer Qualität", teilt Sprecherin Johanna Chiessi mit. Gemäß der Vorschriften für Brückenbauten (ZTV-ING) in Deutschland müsse das Material von einem "Q1-Lieferanten" kommen. "In Asien gibt es keine zertifizierten Q1-Lieferanten", sagt Chiessi. Und deutsche Stahlhersteller produzierten nicht in China.

Chiessi nennt einige Negativbeispiele: "Mehrere Tausend Tonnen Stahlkonstruktionen aus China wurden beim ,Airrail Center' - dem heutigen ,The Square'- am Flughafen Frankfurt verbaut, aber aufgrund von Qualitätsmängeln wieder komplett ausgetauscht oder repariert", berichtet die Sprecherin. "Ähnlich war es bei diversen Kraftwerksprojekten."

Entsprechend kritisch sehe der Verein die Pläne für die A1-Brücke. Zur Ausschreibung des Bauwerks habe "Bauforumstahl" bereits Bedenken geäußert, "da sie der bisher in Deutschland gelebten Ausschreibungspraxis widerspricht, dass die maßgebenden Subunternehmer genannt werden und ihre Qualifikation belegen müssen". Preislich sei chinesischer Stahl nur dann konkurrenzfähig, "wenn man auf die hohen Qualitätsanforderungen für das Material, so wie wir sie in Deutschland kennen, verzichtet und Stahl geringerer Qualität einsetzt".

Ende kommender Woche habe "Bauforumstahl" daher einen Termin bei NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) zum Thema Leverkusener Brücke.

(sug)
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