Leverkusen 1666 pilgerten die ersten Wiesdorfer nach Bergheim

Leverkusen · Seit 350 Jahren pilgern Leverkusener nach Bergheim zur Pietà der "Schmerzhaften Mutter Gottes". Die Gründe erläutert ein neues Buch.

 Seit gut 350 Jahren pilgern Wiesdorfer nach Bergheim zur Pietà der Schmerzhaften Mutter Gottes. Gert Nicolini (l.) hat darüber ein Buch geschrieben.

Seit gut 350 Jahren pilgern Wiesdorfer nach Bergheim zur Pietà der Schmerzhaften Mutter Gottes. Gert Nicolini (l.) hat darüber ein Buch geschrieben.

Foto: UM

Man schrieb das Jahr 1666, als Pilger zum ersten Mal aus Wiesdorf zu Fuß ins 35 Kilometer entfernte Bergheim starteten. Von der Pietà der "Schmerzhaften Mutter Gottes" im Kloster Bethlehem erhofften sie sich Beistand im Kampf gegen die Pest. Inzwischen gilt die Seuche längst als ausgerottet, das Kloster steht nicht mehr, und die Statue wurde 1803 in die dortige St.-Remigius-Kirche umgesiedelt. Doch noch immer pilgern die Menschen einmal im Jahr auf die andere Rheinseite. Seit 350 Jahren lösen sie das Versprechen ein, das die Vorfahren einst gaben, als sie von der Pest erlöst wurden.

Die Jubiläums-Wallfahrt startet am 30. April in der Wiesdorfer Pfarrkirche Sankt Antonius. Passend dazu hat Dr. Gert Nicolini, Archivar und früherer Leiter der städtischen Statistik-Stelle, ein Buch mit dem Titel "Die Wallfahrt von Leverkusen-Wiesdorf nach Bergheim/Erft" verfasst.

"Ich war enttäuscht", bemerkte er bei der Vorstellung. "Weitreichende Informationen habe ich leider nicht gefunden." Nicolini, selbst Mitglied der Bergheim-Bruderschaft, begründete das damit, dass damals nur wenige Menschen lesen oder schreiben konnten. Außerdem waren Wallfahrten im Ursprung keine kirchlichen Veranstaltungen. Zu Zeiten der "Aufklärung" waren sie sogar von Kirche und Staat verboten. Als Gegner galten beispielsweise der Kölner Erzbischof Ferdinand August Graf Spiegel und - für die Wiesdorfer besonders ärgerlich - die örtlichen Pfarrer Johann Joseph Süß und Wilhelm Christoph Bieger. Sie behaupteten, die Teilnehmer, größtenteils Bauern, würden ihre Felder vernachlässigen.

Die kritische Einstellung änderte sich erst Mitte des 19. Jahrhunderts, wie Nicolini bei dreijährigen Recherchen im Archiv des Erzbistums Köln, des Landesarchivs Düsseldorf und in St. Antonius herausfand. Im Jahr 1927 sorgte Dechant Wilhelm Klinkenberg für die Wiederbelebung der Tradition, die mit Ausnahme einiger Unterbrechungen während des Krieges, bis heute gepflegt wird. Wenn rund 75 Teilnehmer um 7 Uhr betend und singend starten, die Wanderung mit Andacht und Stille verbringen, dann trägt noch lange nicht jeder ein Anliegen oder eine Bitte mit sich. Und dennoch "nimmt jeder etwas von dieser Reise mit zurück", beschreibt Brudermeister Rainer Konertz das meditative Gemeinschaftserlebnis mit Suchtfaktor, das er kurz auf den Nenner "Einmal Bergheim, immer Bergheim" bringt.

Vor neun Jahren wurde auch Annemarie Habermann vom Katholischen Bildungswerk von dieser "Sucht" erfasst, deren Organisation das Jubiläumsjahr unterstützt: Heute, 12. April, mit einem Diavortrag "350 Jahre Bergheim-Wallfahrt" bei der kfd St. Joseph; vom 23. April bis 5. Juni: Ausstellung in St. Antonius mit Kreuz, Fahne und Pilgerstab; 9. Juni: Vortrag Gert Nicolini über die Geschichte der Bergheim-Wallfahrt im Pfarrheim Herz-Jesu.

Das Buch (20 Euro) ist im City Café, Breidenbachstraße, und im Pastoralbüro Sankt Stephanus in Bürrig erhältlich.

(gkf)
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