Leichlingen Silobrand: Evakuierung dauert noch Tage an

Leichlingen · Die Feuerwehr will nicht das geringste Risiko einer Staubexplosion eingehen. 16 Anwohner können nicht in ihre Häuser.

 Gefährlicher Schwelbrand seit Dienstagabend: Auch wenn den Feuerwehrleuten oben nur Rauch entgegenkommt, besteht dennoch permanent die Gefahr einer Staubexplosion.

Gefährlicher Schwelbrand seit Dienstagabend: Auch wenn den Feuerwehrleuten oben nur Rauch entgegenkommt, besteht dennoch permanent die Gefahr einer Staubexplosion.

Foto: Michael Kiesewalter

Jürgen Pauls ist am Dienstagnachmittag unterwegs: Gegen 18.30 Uhr kommt er vom Arzt, seine Lebensgefährtin von der Arbeit. Doch als die beiden ihr Haus am Further Weg erreichen, müssen sie feststellen, dass sie nicht mehr hinein können - ja nicht einmal in die Nähe ihrer vier Wände gelassen werden.

 Jürgen Pauls kann vorerst nicht in seine Wohnung.

Jürgen Pauls kann vorerst nicht in seine Wohnung.

Foto: Kiesewalter

Der Brand im Spänesilo des benachbarten Baustoffhandels Wieland machte eine Rückkehr unmöglich. "Wir wohnen 20 Meter vom Silo entfernt", sagt der Leichlinger: "Für die Evakuierung habe ich vollstes Verständnis."

 Abgekämpft: die Einsatzkräfte der Leichlinger Feuerwehr gestern Morgen.

Abgekämpft: die Einsatzkräfte der Leichlinger Feuerwehr gestern Morgen.

Foto: Kiesewalter

So wie er und seine Partnerin sind noch 14 weitere Anwohner betroffen. Sie dürfen zwar am Dienstagabend und gestern Mittag kurz in die Häuser, um ihre wichtigsten Habseligkeiten mitzunehmen, zurück in die Wohnungen wird es aber wohl erst frühestens morgen gehen: "Und dabei hat es in unseren Räumen noch nicht einmal nach Feuer gerochen", berichtet Jürgen Pauls.

 Gefährliche Nähe: Das Spänesilo steht dicht an der Bebauung des Baumarktgeländes.

Gefährliche Nähe: Das Spänesilo steht dicht an der Bebauung des Baumarktgeländes.

Foto: Kiesewalter

Er selbst war lange genug Feuerwehrmann, um zu wissen, dass die Einsatzkräfte vor Ort nicht das geringste Risiko einer Staubexplosion eingehen wollen. Aus diesem Grund ist am Brandort der Löschvorgang lang und kompliziert - aber eben auch so sicher, wie nur möglich.

Gestern am frühen Nachmittag trifft die Einsatzleitung deshalb die Entscheidung, so lange Kohlendioxid in das Silo zu pumpen, bis die Innentemperatur mit der Außentemperatur identisch ist. Danach wird weitere 24 Stunden CO2 zugeführt. Erst dann dürfen die Anwohner zurück in ihre Wohnungen.

In der Nacht hatte es kurzzeitig sogar wieder einen Temperaturanstieg im Silo gegeben, weil das CO2 zwischenzeitlich ausgegangen war. Dies teilt Kreisbrandmeister Wolfgang Weiden auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Er hat zwischenzeitlich die Einsatzleitung übernommen, damit die Leichlinger Feuerwehrleute wenigstens ein paar Stunden schlafen können. Für die Leichlinger Feuerwehr, die seit Dienstag 17 Uhr im Einsatz ist, bedeutet das Feuer eine Dauerbelastung. Und ein großes logistisches Problem. Denn Kohlendioxid ist nicht so einfach zu beschaffen. Nachdem die Vorräte der Werksfeuerwehr Federal Mogul aufgebraucht sind, werden in der Nacht nach und nach weitere CO2-Tankfahrzeuge von RWE Power, der Firma Henkel, der Werksfeuerwehr Currenta, der Berufsfeuerwehr Duisburg und anderen herangekarrt. Dennoch, so Kreisbrandmeister Weiden, kommt es zu einer Unterbrechung - die Temperatur steigt im Silo prompt wieder an. Ein Tankfahrzeug der Firma Linde mit 21 Tonnen Kohlendioxid sorgt schließlich für kurzzeitige Erleichterung.

"Ideal wäre es gewesen, wenn wir mit Stickstoff hätten löschen können", lässt der Kreisbrandmeister durchblicken. Die Chance sei jedoch zerplatzt, weil ausgerechnet in Dorsten ebenfalls am Dienstag ein Silo Feuer gefangen habe - "und da waren uns die Kollegen einfach um ein paar Stunden voraus".

Jetzt also eine Variante, die deutlich länger dauern wird. Und die auch die Verkehrsabsperrungen vorerst aufrecht erhält. Aus Feuerwehrkreisen verlautet jedoch, dass gerade der Moment, wenn das Silo geöffnet wird, damit die Feuerwehrleute per Hand die Materialien herausholen, zu den kritischsten überhaupt zählt. Erst wenn die Gefahr einer Explosion komplett ausgeschlossen werden kann, darf die Klappe geöffnet werden.

Und auch das CO2 ist nicht so einfach wieder zu entfernen. Es muss beim Ablassen verdünnt werden, weil es sonst bodennah entweicht. Und CO2 ist zwar nicht giftig für den Menschen, eine stark erhöhte Konzentration in der Luft kann aber zum Tod führen. All das erfordert besondere Sorgfalt. Nicht nur deswegen steht bereits jetzt fest: Die Kosten für den Einsatz werden enorm sein, was wiederum die Frage aufwirft, wer denn dafür bezahlen muss? Die Frage des Kostenersatzes ist in den Feuerwehrgesetzen der Bundesländer festgelegt und unterscheidet sich von Land zu Land leicht. Grundsätzlich gilt aber, dass die Gemeinden für einen Großteil der Feuerwehreinsätze keine Rechnungen ausstellen. Einsätze, die der Rettung von Menschen dienen, werden in der Regel von der Allgemeinheit getragen. Auch wenn ein unverschuldeter Notfall - etwa ein technischer Defekt - die Ursache für den Einsatz ist, muss man sich meist keine Sorgen machen.

Anders wäre es, wenn sich im Nachhinein herausstellen würde, dass das Feuer vorsätzlich gelegt wurde. Dann würde der Verursacher in die Haftung genommen. Bei der Ursachenforschung ist man am Further Weg aber noch lange nicht angekommen. Erstmals wird weiter gelöscht - und gewartet, vor allem auf Seiten der Anwohner.

Jürgen Pauls hat noch Glück im Unglück, er hat für die Zeit, in der er und seine Freundin nicht zurück ins Haus können, immerhin eine verlässliche Unterkunft. Dort hat auch die Nacht zu gestern verbracht: "Ich bin begeisterter Camper", berichtet der Leichlinger. Sein Wohnwagen steht auf dem Campingplatz in Solingen-Glüder: "Solange ich zu Hause nicht hinein komme, mache ich jetzt also Campingurlaub."

(RP)
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