Leichlingen Reichtum im Namen der Gerechtigkeit

Leichlingen · Die Theater AG des Gymnasiums führt "Der Besuch der Alten Dame" von Friedrich Dürrenmatt auf.

 Die Theater AG des Gymnasiums führt "Der Besuch der Alten Dame" von Friedrich Dürrenmatt auf - hier ein Eindruck von den Proben.

Die Theater AG des Gymnasiums führt "Der Besuch der Alten Dame" von Friedrich Dürrenmatt auf - hier ein Eindruck von den Proben.

Foto: uwe miserius

In Güllen ist der sprichwörtliche letzte Zug abgefahren. Der Ort ist verarmt und bedeutungslos geworden, die D-Züge in die weite Welt rauschen mit Tempo durch den Bahnhof. Um das zu verdeutlichen, brauchte die Theater AG kein aufwendiges Bühnenbild. Das Geräusch und die Blicke, die der imaginären Bahn folgen, sagen alles. Mit relativ einfachen Mitteln haben elf Schülerinnen und ein Schüler unter der Leitung von Lehrer Klaus Meyer-Stoll und den beiden Referendaren Kathrin Vogel und Norman Polzin Dürrenmatts erstes großes Erfolgsstück inszeniert.

Dabei setzten sie weitgehend auf den Originaltext, den das Ensemble gemeinsam an einigen Stellen kürzte, weil die Vorlage deutlich mehr Spieler verlangt. Mit Ausnahme der Hauptfiguren müssen die Darsteller dennoch zwischen mehreren Rollen hin- und herspringen. Manchmal bleibt wenig Zeit, die Kostüme überzustreifen und Requisiten zu greifen, die den Wechsel erkennbar machen.

Ansonsten hat sich die Gruppe der 13- bis 18-Jährigen für ganz normale Alltagskleidung entschieden und macht damit deutlich, dass die Botschaft über das Entstehungsjahr 1955 hinaus bis heute ihre Gültigkeit hat. Die Fragen nach dem Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Rache, nach Menschlichkeit, Bestechlichkeit und Treue, die hier aufgeworfen werden, darf durchaus jeder Zuschauer auf sich selbst beziehen und mit nach Hause nehmen. Den speziellen zynischen Humor der tragischen Komödie haben die Mitwirkenden durch eigene Ideen ergänzt.

Mit großen Erwartungen bereiten die Bewohner des verarmten Städtchens Güllen die Ankunft der Mulimilliardärin Claire Zachanassian vor, die hier als Klara Wäscher aufgewachsen ist. Von ihrem ersten Heimatbesuch nach 45 Jahren erhoffen sie sich die finanzielle Rehabilitierung. Tatsächlich verspricht sie beim Empfang eine Milliarde, je zur Hälfte für die Stadt und deren Bewohner. Der Jubel erstirbt, als sie ihre Bedingung nennt: "Ich kaufe mir Gerechtigkeit, ich kann sie mir leisten." Sie fordert als Gegenleistung den Tod von Alfred Ill, dem bislang geachteten Bürger und Kaufmann, der einst mit Klara liiert war. Das war bekannt, nicht aber, dass er sich vor 45 Jahren mit bestochenen Zeugen einer Vaterschaftsklage entzogen hat. "Die Welt machte mich zu einer Hure", sagt die verbitterte alte Dame, und: "nun mache ich sie zu einem Bordell." Entrüstet lehnt der Bürgermeister das unmoralische Angebot ab, man ist schließlich nicht käuflich. Aber Claire kann warten und zusehen, wie die Stimmung kippt, ganz allmählich. Die ganze Stadt lebt auf Pump in Erwartung des Geldsegens. Es gehe nicht ums Geld, sondern nur um Gerechtigkeit,, verteidigen sich die Bürger, bevor sie den Fememord beschließen - einstimmig.

"Der Besuch der Alten Dame" heute und morgen um 19 Uhr in der Aula des Leichlinger Gymnasiums. Eintritt frei, Spenden erwünscht.

(mkl)
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