Leichlingen Nuhr will Menschen wieder staunen sehen

Leichlingen · Der Kabarettist teilte aus gegen nationalkonservative Politiker und die Welt in der Hosentasche.

 Dieter Nuhr ist überzeugt: "Die Welt ist besser als ihr Ruf."

Dieter Nuhr ist überzeugt: "Die Welt ist besser als ihr Ruf."

Foto: Uwe Miserius

Die 30 Jahre, die Dieter Nuhr bereits auf der Bühne steht, scheinen den Kabarettisten zu einer interessanten Einsicht und offenbar auch zu einer gewissen Dankbarkeit verholfen zu haben: Das Leben, wie wir es heute leben, ist keineswegs schlechter als in den "guten alten Zeiten". Bei der Lesung - einem Testdurchlauf - seines neuen Bühnenprogramms "Nuhr hier, nur heute" im Leichlinger Schulzentrum blitzte er am vergangenen Freitag immer wieder durch: dieser Optimismus und diese Zufriedenheit, nicht in der Vergangenheit leben zu müssen.

Durchsetzt mit Seitenhieben auf die Politik und Spitzfindigkeiten aus dem Alltag - bevorzugt beim Urologen oder Proktologen - sorgte Nuhr dafür, dass die Zuhörer in der ausverkauften Aula Am Hammer einen unterhaltsamen Abend erlebten. "Was sind das für Zeiten, in denen wir leben?", fragte er sein Publikum direkt zu Beginn der mehr als zweistündigen Show. Um die Frage selbst zu beantworten: Die Irren kämen derzeit aus den Ritzen, siehe in den USA, Ungarn oder in der Türkei. Früher habe es genauso viele Trottel gegeben wie heute, nur habe man sie nicht gehört. "Heute vernetzen sich die Idioten", erteilte er nationalkonservativen Politikern und ihren Anhängern eine Abfuhr.

Insgesamt sei in den 30 Jahren, in denen er auf der Bühne stehe, vieles besser geworden, gesünder, sauberer, was ihn zu der Erkenntnis führte, "dass man den lieben Gott auch mal einen frommen Mann sein lassen kann". Die Zahl der Toten durch Unfälle mit Haushaltsleitern sei schließlich bedeutend höher als die der Toten durch Feinstaub. "Die Menschen werden nie zufrieden sein", beklagte er und führte es darauf zurück, dass sie heute zu viele Bilder aus aller Welt sähen, vor allem Katastrophenbilder. "Aber so ist die Welt nicht", betonte Nuhr.

Die Digitalisierung und Smartphones, die uns das gesammelte Wissen der Welt in der Hosentasche mit uns herumtragen ließen, entfernten uns vom normalen Leben. "Wir haben das Staunen verlernt", mahnte der Comedian, dass die Negativmeldungen unser Leben nicht beherrschen sollten. Als Antwort auf diese Digitalisierung machte Dieter Nuhr den religiösen Wahn aus, in dem Menschen nicht nach Freiheit, sondern nach einer höheren Macht suchten, die ihnen sage, was zu tun sei.

Das Credo des Kabarettisten: "Die Welt ist heute besser als ihr Ruf." Denn: Noch nie seien so wenig Menschen durch Gewalt gestorben wie heute, nur der Kabeljau sei in der guten alten Zeit billiger gewesen. "Ein Leben ohne Ängste ist nicht vorgesehen", rief der Comedian die Zuhörer dazu auf, gegen sie anzuarbeiten und schloss seine Lesung mit diesem eindrücklichen Bekenntnis: "Ich will nur hier und nur heute leben."

(inbo)
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