Kampf gegen die Zeitumstellung Diesem Mann geht die Sommerzeit auf den Zeiger

Leichlingen, Brüssel · Am Sonntag werden die Uhren umgestellt – und das stört einen ganz besonders: Seit Jahren kämpft der CDU-Mann Herbert Reul gegen den Wechsel von Sommer- und Winterzeit. Zuweilen wird der Leichlinger für seine Hartnäckigkeit belächelt. Dabei geht es ihm um viel mehr.

 Unermüdlich gegen die Zeitumstellung: CDU-Mann Herbert Reul (Archiv)

Unermüdlich gegen die Zeitumstellung: CDU-Mann Herbert Reul (Archiv)

Foto: Andreas Endermann

Am Sonntag werden die Uhren umgestellt — und das stört einen ganz besonders: Seit Jahren kämpft der CDU-Mann Herbert Reul gegen den Wechsel von Sommer- und Winterzeit. Zuweilen wird der Leichlinger für seine Hartnäckigkeit belächelt. Dabei geht es ihm um viel mehr.

Es ist nur ein kurzer Brief, einer, wie er ihn oft bekommt. Sie leide sehr unter der Zeitumstellung, schreibt ihm eine Frau aus seinem Wahlkreis im Bergischen Land. Könnte man die nicht endlich abschaffen? Man könnte sagen: belanglos. Doch was auf den Brief folgt, hat seinen Jagdinstinkt geweckt, sagt Herbert Reul. Das war vor elf Jahren. Seitdem kämpft er dafür, die alljährliche Umstellung auf Sommerzeit abzuschaffen.

Reul ist 64 Jahre alt, seit 2004 sitzt er für die CDU im Europäischen Parlament. Sein Engagement in Sachen Normalzeit ist mit den Jahren zu einer Art Markenzeichen für ihn geworden. Mit leisem Spott bezeichnete ihn der "Spiegel" bereits als "eifrigsten Kämpfer gegen das Zeigergedrehe", die "Wuppertaler Rundschau" bezeichnete sein Engagement als "exotisch". Doch er lässt sich nicht von seinem Ziel abbringen: Die Sommerzeit muss weg.

Nun könnte man sagen: Es gibt ja wohl wirklich ärgere Probleme als das regelmäßige Verstellen der Uhr um eine Stunde. Ähnlich dachte auch Reul, als er vor elf Jahren den Brief der Bürgerin in Händen hielt. Trotzdem stellte er damals eine Anfrage an die Europäische Kommission, wollte wissen, was die Sommerzeit für einen Nutzen hat. Was dann zurückkam, machte ihn wütend: Ein dünnes Papier mit wenig Antworten. "Da stand kein schlüssiger Beweis drin, dass es was bringt", sagt Reul, "Man konnte riechen, dass die keine Lust haben."

Also informiert er sich selber. Und kommt schnell zu dem Schluss: Das ewige Zeitumstellen ist für niemand richtig gut. Die Rythmusänderung soll sogar Einfluss auf die Gesundheit haben. Laut der Krankenkasse DAK melden sich an den drei Tagen nach der Zeitumstellung 15 Prozent mehr Arbeitnehmer krank als sonst. Die Deutsche Bahn muss vor allem bei der Rückstellung auf Winterzeit einen zweiten Fahrplan für die doppelte Stunde von zwei bis drei Uhr nachts ausarbeiten. Und dass durch die Zeitumstellung viel Strom gespart werden kann — was in den 80er Jahren nach der Ölkrise das Hauptmotiv für die Maßnahme war — haben viele Studien widerlegt.

Welche Argumente sprechen dann eigentlich noch dafür? "Eigentlich nur das Biergarten-Argument", sagt Reul. Die Leute würden gerne eine Stunde länger im Hellen draußen sitzen und ihr Bier trinken.

"Wir kümmern uns eben auch um Kleinscheiß"

Klar gibt es wichtigere Themen in der EU, das gibt Reul zu. Die Eurokrise, Ukraine, Flüchtlinge, Brexit — es ist genug zu tun in Europa. "Aber wir kümmern uns hier eben auch um Kleinscheiß", sagt er.

Im Kern geht es Reul ums Prinzip. "Ich will an dem Beispiel durchdeklinieren, ob die Politik unnütze Sachen zurücknimmt." Davon gebe es nämlich Hunderte. "Die EU erlässt oft Vorschriften, die den Alltag leichter machen oder die Umwelt schützen sollen, aber in ihrer praktischen Umsetzung stößt das oft auf Unverständnis bei den Menschen", sagt Reul.

Also stellt er weiter Anfragen an die Europäische Kommission, den Europäischen Rat oder den Bundestag, schickt Flyer an alle Fraktionen, sammelt Unterschriften und organisiert Debatten im Europäischen Parlament. "Ich weiß, dass das ein dickes Brett ist", sagt er. Doch er ist entschlossen, es zu durchbohren. "Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto mehr hab ich gemerkt, dass das die ganze Menschheit in Europa nervt", sagt er.

Die Zahlen geben Reul recht. Es gibt dutzende Umfragen, die zeigen: Eine große Mehrheit der Deutschen würde die Zeitumstellung lieber abschaffen. Und auch im europäischen Ausland hat der Leichlinger zahlreiche Verbündete. Gerade erst machte eine Intiative auf Mallorca Schlagzeilen: Die Bewohner der Balearen wollen lieber ganz bei der Sommerzeit bleiben, einen entsprechenden Antrag nahm das Regionalparlament einstimmig an.

Unterstützer im Europäischen Parlament gesammelt

Das Problem ist nur: Selbst wenn ganz Deutschland oder ganz Spanien gegen die Zeitumstellung wären, könnte das nur die EU ändern. Denn diese hat die verschiedenen Zeiten der Mitgliedsstaaten in den 80er Jahren harmonisiert, damit der Binnenmarkt besser funktionieren kann.

Inzwischen, sagt Reul, habe er auch im Euopäischen Parlament viele Unterstützer sammeln können — parteiübergreifend und aus verschiedenen Ländern. Er nennt Pavel Svoboda aus Tschechien, Seán Kelly aus Irland oder Annie Schreijer-Pierik aus den Niederlanden.

Reul ist jetzt 64 Jahre alt, die Rente ist absehbar. Wer darauf hofft, dass es der Mann aus Leichlingen dann gut sein lässt mit seinem Kampf gegen die Zeitumstellung, irrt. Am Sonntag werden die Uhren ein weiteres Mal verstellt. Bevor das nicht endet, endet auch Reuls Kampf nicht: "Den Sport, den gönn ich mir!"

(mre)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort