Leichlingen Henning Scherf: das Alter als Chance

Leichlingen · Wenn Henning Scherf zur Lesung kommt, braucht er weder Leselampe noch Tisch und möglichst kein Mikrofon. Ihn hält es sowieso nicht auf einem Platz und schon gar nicht auf einer Bühne. Er bewegt sich durch den Raum, spricht seine Zuhörer direkt an, deren Fragen und Kommentare er ausdrücklich wünscht. Um den Inhalt seiner Bücher zu vermitteln, braucht er sie nicht in die Hand zu nehmen, allenfalls um mal ein Foto daraus zu zeigen. Die erlebten Geschichten und Schlussfolgerungen hat er alle im Kopf und mixt sie jedes Mal neu, so als würde er sie guten alten Bekannten erzählen.

Wie gute alte Bekannte behandelt er sie alle. Das beginnt damit, dass er jeden einzelnen mit Handschlag begrüßt.

So war es jetzt auch auf Schloss Eicherhof, wo er diese bei der letzten Veranstaltung von Kultur im Schloss zu Gast war. Mit zwei sehr früh eingetroffenen Zuhörerinnen teilte er sogar sein Abendbrot, das ihm die Hausherren kurz vorher serviert hatten. "In Gemeinschaft schmeckt es besser", das ist eine seiner Botschaften.

Ratsfrau Erika Horsthemke begrüßte er mit den Worten "Ach hier kommen sie Sozis, kommen Sie mal gleich mit in die erste Reihe." Dahin manövrierte er auch Bürgermeister Frank Steffes, nachdem er mit ihm vor der Kamera posiert hatte.

Den enormen Größenunterschied kommentierte Steffes bei seiner Begrüßung: "Sie haben es eben gesehen: ein kleiner Provinzbürgermeister neben dem weltmännischen großen ehemaligen Bürgermeister von Bremen."

Außerdem attestierte er Scherf hanseatische Korrektheit und gleichzeitig menschliche Wärme "auch im politischen Tun". Das hat Scherf mit dem Eintritt in den Ruhestand abgegeben, dennoch mischt er sich ein und beeinflusst auf seine Weise die Politik. Vor allem wenn es im weitesten Sinne um den demografischen Wandel geht.

Davor fürchtet er sich nicht, weil er eine älter werdende Gesellschaft nicht als Last, sondern als Chance sieht. Wenn man es nur richtig anfängt. Mit großen Altenheimen, in denen Senioren von vertrauten Menschen abgeschnitten und zur Untätigkeit verdammt nur noch auf den Tod zu warten scheinen, jedenfalls nicht.

Der 77-Jährige, der selbst schon frühzeitig mit seiner Frau in eine Wohngemeinschaft mit Gleichgesinnten zog, plädiert für kleinere Pflege-WGs und Wohnanlagen mit altersgemischter Belegung.

Wenn man sich gegenseitig helfe, jeder tue, was er noch kann, blieben die Alten jedenfalls länger fit und vor allem glücklich. "Wir Menschen sind nicht nur hilfsbedürftig, wir sind auch helfebedürftig", sagt Scherf und fügt diverse positive Beispiele an - alle selbst erlebt.

Beschreibt, wie positiv verstummte Demenzkranke auf kleine Kinder reagieren, dass Kinder aus dem benachbarten Flüchtlingsheim im Haus seiner geräumigen WG spielen und Hausaufgaben machen und vieles mehr.

Probleme kümmern ihn nicht, die werden gelöst, und zwar mit gesundem Menschenverstand, einem großen Herzen und einer durch und durch positiven Lebenseinstellung, die immer auch auf seine Zuhörer abfärbt.

(mkl)
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