Leichlingen Ein Bachkonzert voller Überraschungen und Witz

Leichlingen · Es sei "preußisch Blau, das verschießt" urteilte Johann Sebastian Bach über die "neue" Kompositionsweise seines Sohnes Carl Philipp Emanuel Bach. Dieser erbte einerseits ein beträchtliches musikalisches Talent, musste sich aber gegen den übermächtigen, genialen Vater behaupten und seinen eigenen Weg finden. Mit Erfolg, denn er ging als berühmtester Bach-Sohn in die Geschichte ein, schaffte es immerhin als Cembalist an den Hof Friedrich II. und begleitete das Flötenspiel des musikalischen Preußenkönigs. Außerdem komponierte er dort eine ganze Reihe Werke für Tasteninstrumente.

Seine "Fantasia II" C-Dur jedenfalls sei kein typisches Orgelstück, erklärte Johannes Geffert, bevor er sich am Freitagabend zum dritten Konzert des Leichlinger Orgelsommers an das Instrument der evangelischen Kirche setzte. Es handelt sich eher um eine Art Patchwork-Arbeit mit diversen kurzen musikalischen Gedanken, Pausen und Neuanfängen. Keine Wiederholungen, kein erkennbarer formaler Aufbau, dafür voller Überraschungen und Witz mit Effekten wie Flirren und Glucksen.

Johannes Geffert, ehemaliger Kantor der Bonner Kreuzkirche und bis letztes Jahr Professor und Leiter für evangelische Kirchenmusik an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz, kehrte mit leichter Spielweise und wechselnden zarten Registerfarben den ("preußisch-blauen") vergnüglichen Charakter dieses Werks aus einer Sammlung freier Kompositionen hervor. Der Aufbau seines Konzertprogramms stellte musikhistorische Zusammenhänge her. So schloss er an diese Musik "für Kenner und Liebhaber" ein spätes Werk von Vater Johann Sebastian Bach an.

Das meisterliche toccatenartig beginnende Präludium a-Moll BWV 543, das sich brillant und reich figuriert zu monumentaler Größe steigert, empfanden die Zuhörer verständlicherweise als eine andere Hausnummer. Zumal der meisterliche Gastorganist in seinem lebendigen Spiel die komplexe Struktur der dazugehörigen Fuge so transparent aufdröselte, dass sich die einzelnen Stränge bestens verfolgen ließen. Ein wundervolles Hörerlebnis.

Dieses Werk dürfte auch zu jenen Bach-Stücken gehört haben, die Felix Mendelssohn Bartholdy in Konzerten vortrug. Als Kenner und Verehrer des großen Thomaskantors hat er auch dessen Matthäuspassion aus der Vergessenheit geholt und erstmals wiederaufgeführt. Folglich hatte Johannes Geffert auch einen Mendelssohn im Programm, dessen Orgelsonate Nr.2 c-Moll/C-Dur, die nach langsam schreitender Eröffnung und weicher Melodik mit seiner großen Schlussfuge zum echten Finalstück taugte.

Auch der Konzertbeginn passte ins Konzept, denn Johann Gottlieb Graun war ebenfalls bei Friedrich II. angestellt und komponierte unter anderem ein "Orgelkonzert g-Moll" für Prinzessin Anna Amalia, die eine Hausorgel im Berliner Schloss besaß. Die Fähigkeiten der Prinzessin sollen begrenzt gewesen sein, so erkläre sich der "übersichtliche" Pedalpart, so Geffert.

Als kleiner Ausreißer (oder Reminiszenz an den frankophilen Preußenkönig) sorgte Geffert mit einem dreisätzigen Werk von Eugene Gigout für heiter-tänzelndes französisches Flair. Noch vergnüglicher dann seine Zugabe: eine Improvisation über die Melodie "Geh'aus mein Herz".

(mkl)
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