Leichlingen Ein Appell gegen den Rechtsruck in Europa

Leichlingen · Eva Umlauf, eine der jüngsten KZ-Überlebenden, berichtete am städtischen Gymnasium aus ihrem Leben.

 Eva Umlauf schilderte den jungen Zuhörern in der Schule eingängig ihr Schicksal und die Bedeutung des Holocaust.

Eva Umlauf schilderte den jungen Zuhörern in der Schule eingängig ihr Schicksal und die Bedeutung des Holocaust.

Foto: UM

Es waren manchmal nur Satzfragmente, die den Zuhörer erstarren ließen und mitunter auch verwirrten. Von der "Idylle im Schatten des Todes" war da die Rede oder vom "glücklichen" Transport, drei Tage lang 300 Kilometer eingesperrt ohne Essen und Trinken in einem Eisenbahnwaggon. Glücklich nur deshalb, weil er nicht direkt in die Gaskammern des Konzentrationslagers Auschwitz führte. Gestern hat Eva Umlauf geschafft, was weder Geschichtsbücher noch Filmmaterial zu leisten vermögen: Als eine der jüngsten Überlebenden des KZ Auschwitz hat sie Schülern am städtischen Gymnasium vermittelt, was der Holocaust für den Einzelnen wirklich bedeutet hat. "Ich mache das, weil ich die Hoffnung habe, dass ihr jungen Menschen die Macht habt, euch gegen den Rechtsruck in Europa und in den USA zu stellen", sagte die 75-Jährige eindringlich. "Ihr tragt die Verantwortung, dass die Rechten keine Chance haben."

Vermittelt hatte den Besuch die Leichlingerin Brigitte Berger: Eva Umlauf las aus ihrem Buch "Die Nummer auf deinem Unterarm ist so blau wie deine Augen", erzählte von ihrem persönlichen Erleben und beantwortete die Fragen der Schüler.

Geboren wurde sie als "gesunder, rosiger Säugling" 1942 im Arbeitslager für Juden im slowakischen Nováky. "Die Bilder davon sehen fast wie Urlaubsfotos aus", erzählte sie, man habe es sich dort ein wenig eingerichtet, es gab eine Schule und sogar Musik. "Trotzdem war es ein Todeslager. Wir hatten ständig Angst, wer als nächstes nach Auschwitz abgeholt wird", sagte sie. Zwei Jahre sei sie mit ihren Eltern dort gewesen, bevor auch für sie der Tag kam, an dem sie abtransportiert wurden.

In diesem Zusammenhang von Glück zu sprechen, lässt sich nur aus dem grausamen Kontext heraus verstehen: Weil die russische Armee nahte, sollten die Spuren der Massenvernichtung verwischt werden - es war der erste Zug, der nicht in die Gaskammern fuhr. Trotzdem sah Umlauf an diesem Tag ihren Vater zum letzten Mal. Was ihr von Auschwitz blieb: die Tätowierung ihrer Häftlingsnummer A26959 auf dem Arm. "Es ist das Symbol der vollkommenen Entmenschlichung", sagte Umlauf. "Aber die Nummer gehört zu mir. Sie verbindet mich mit meinen Schicksalsgenossen und mit meiner Familie." Als Kind kam sie auch auf die Krankenstation des KZ-Arztes Josef Mengele, berüchtigt für seine Menschenversuche an Kindern. Im Juni 1945 schließlich verließ Eva Umlauf mit Mutter und Schwester das Konzentrationslager und kehrte ins slowakische Trenèín zurück.

"Bei uns hat man nicht über Auschwitz gesprochen", sagte sie auf die Frage, wie die Familie nach der Befreiung mit der Vergangenheit umgegangen sei. Das "Nicht-Sprechen" sei ein Schutz gewesen, um weiterleben zu können. Ihre Mutter hatte in Auschwitz fast ihre gesamte Familie verloren, kämpfte nach dem Krieg ums tägliche Überleben. Bemerkenswert auch Umlaufs Ansicht zu Menschen, die den Holocaust bis heute leugnen: "Die Auschwitz-Lüge macht mir keine Angst, das sind Spinner."

Insbesondere die Neuntklässler am Gymnasium nehmen im Geschichtsunterricht aktuell zum ersten Mal den Nationalsozialismus durch. "Zeitzeugen sind unheimlich wichtig, weil die Jugendlichen von dem Thema immer weiter weg sind", sagte Geschichtslehrer Andres Burges. So erhielten sie authentische Informationen und bekämen einen besonderen Zugang zur Geschichte.

(inbo)
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