Monheim/Hilden Wenn Körperschmuck unter die Haut geht

Monheim/Hilden · Immer mehr Menschen wünschen sich Piercings. Hygiene und Material sind dabei entscheidend, sagt ein Hildener Chirurg.

 Art Aguja Tattoo gehört Salvatore Chindamo. Piercings machen etwa 20 Prozent des Arbeitsanteils aus.

Art Aguja Tattoo gehört Salvatore Chindamo. Piercings machen etwa 20 Prozent des Arbeitsanteils aus.

Foto: Ralph Matzerath

Dass Pharao Tutenchamun seiner Totenmaske zufolge geweitete Ohrlöcher hatte, sorgte im Geschichtsunterricht für ein Giggeln. Die Rocksängerinnen Pink und Miley Cyrus glitzern über ihre kompletten Ohrmuscheln hinweg - ein Loch für einen klassischen Stecker reicht längst nicht mehr, um als böses Mädchen anerkannt zu werden. Und nun steht Kerstin (Name geändert, d.Red.) in den Räumen von Art Aguja Tattoo an der Monheimer Frohnstraße und ist zu 200 Prozent bereit für ihr erstes Piercing. "Da du erst 17 Jahre alt bist, reicht deine eigene schriftliche Einverständniserklärung nicht aus", erklärt Charlin Hetzel. "Wir brauchen auch eine schriftliche Erklärung von deinen Eltern, und ein Erziehungsberechtigter muss dabei sein, wenn wir dir ein Piercing stechen sollen."

Der Brilli im Nasenflügel, ein Titan-Stab über der Augenbraue oder ein Ring durch das Septum, das Bindegewebe unterhalb des Nasenscheidewandknorpels, sind angesagt. "Bei uns machen Piercings momentan einen Anteil von etwa 20 Prozent aus - mit steigender Tendenz", sagt Salvatore Chindamo, dem das Tattoo- und Piercingstudio an der Frohnstraße gehört. Bevor es auf dem Behandlungsstuhl im Obergeschoss ernst wird, steht erst einmal eine intensive Beratung an. Dabei ist Piercerin Charlin Hetzel manchmal eine Mischung aus Seelenbeistand und bester Freundin. Vor allem Teenager tendierten zu krassen Piercing-Wünschen. "Sie wollen sich jetzt und deutlich von anderen unterscheiden. Und machen sich manchmal keine Gedanken über die Folgen." Vorsichtig wird darauf hingewiesen, dass nicht in jedem Ausbildungsberuf Verständnis für Köperschmuck vorhanden ist, der unter die Haut geht. Auch wenn Form und Größe eines Wunsch-Objektes nicht zum Aussehen dieser Person passen, greift Charlin Hetzel ein. Schließlich sollen die Kunden möglichst lange Spaß haben an ihrem Piercing, findet die Medizinisch-Technische Assistentin mit Ausbildung zur Krankenschwester. Ihr Credo: Absolute Hygiene auf dem OP-Stuhl und sorgfältige Kontrolle eine Woche nach dem Eingriff. Im Durchschnitt kostet ein Piercing inklusive Material, Nachkontrolle und Reinigungsflüssigkeit um die 50 Euro..

Dr. Hans Bayer-Helms, Chefarzt der Chirurgie am Hildener St.-Josefs-Krankenhaus, sieht regelmäßig Piercing-Träger, die Probleme haben. Studien gehen davon aus, dass jeder dritte Gepiercte ärztliche Hilfe benötigt. Zum einen, weil sich die Piercing-Löcher entzünden: "Schließlich geht man ja bewusst durch die Haut und schafft so den Hautkeimen einen Zugang." Zweites Problem seien allergische Reaktionen. "Selbst Chirurgenstahl ist oft verchromt - und hat Nickelbestandteile", sagt Bayer-Helms. Bis zu fünf Millionen Menschen in Deutschland sollen an einer Nickel-Allergie leiden. Nach einer Wunddesinfektion und dem Entfernen des Schmucks trete in der Regel rasch eine Besserung ein, berichtet der Chirurg. Ob er sich selbst ein Piercing zulegen würde? "Nein, auf keinen Fall. Aber das ist Geschmacksache."

(dne)
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