Langenfeld Vorbild Frederick

Düsseldorf · Wenn nicht gerade Ferien sind, liest Roswitha Hintze (61) donnerstags im "Kinderclub" für Grundschüler in der Stadtbibliothek vor. RP-Redakteur Thomas Gutmann sprach mit der Erzieherin, Mutter zweier erwachsener Töchter und Großmutter eines Zweijährigen zum morgigen Internationalen Kinderbuchtag.

Was macht ein gutes Kinderbuch aus?

Hintze Eine Handlung, die die Kinder neugierig macht, sie berührt und in der sie sich wiederfinden können. Letzteres zeigt sich beim Vorlesen oft dadurch, dass die Kinder plötzlich von eigenem Erlebnissen erzählen: "Da ist mein Opa krank geworden", "da habe ich mich mit einem Freund gestritten" und so weiter. Bei einem Bilderbuch ist natürlich die Illustration mindestens ebenso wichtig wie der Text.

Wie weckt ein gelungenes Buch die Neugier von Kindern?

Hintze Indem es Unerwartetes schildert. Als ich im letzten Kinderclub "Das Buch vom Hasen" von Kurt Schwitters vorstellte, habe ich zuerst gefragt, was denn wohl zwischen den Buchdeckeln stattfinden wird. "Eier und Ostern", antworteten die Kinder. Tatsächlich aber verwandelt sich Schwitters Hase in ein Schwein, dann in einen Fisch, einen Schwan, ja sogar in ein Schiff. Das hat die Kinder verblüfft, und das fanden sie super. Außerdem möchten sie sich ja auch liebend gern mal im Schlamm wälzen wie das Schwein oder die Welt aus der Luft betrachten wie der Schwan.

Sind Kinderbücher heute anders als früher?

Hintze Sie sind ehrlicher. Und sie halten den Kindern nicht das artige, fleißige – "vorbildliche" – Kind vor, sondern versuchen, Selbstbewusstsein aufzubauen. Nehmen wir die "Häschenschule" aus den 20er Jahren: Da geht es streng zu, die Hasen sind sehr vermenschlicht, die (Hasen-)Kinder haben zu gehorchen. Gute Kinderbücher von heute haben nicht diesen Zeigefinger. Es geht um Themen wie Freundschaft, aber auch um traurige Erlebnisse wie Scheidung oder Tod. Sie vermitteln jungen wie alten Lesern, Betrachtern und Zuhörern, dass zu einem glücklichen Leben mehr gehört als Pflichterfüllung oder materieller Wohlstand. So wie es etwa Leo Lionnis "Frederick" vormacht: Während die andere Mäuse Vorräte zusammentragen, sammelt er Wörter und Farben, die sich im grauen, kalten Winter als emotional wärmend erweisen.

(RP)
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