Monheim Unfall-Filme rütteln Jugendliche auf

Monheim · Die Vorbeugekampagne "Crash Kurs NRW" machte gestern erstmals in Monheim Station - vor 200 jungen Leuten.

 Nach den emotionalen Schilderungen der Einsatzkräfte unterschrieben die Peter-Ustinov-Gesamtschüler Plakate, die für Umsicht im Straßenverkehr werben. RP-FOTO: MATZERATH

Nach den emotionalen Schilderungen der Einsatzkräfte unterschrieben die Peter-Ustinov-Gesamtschüler Plakate, die für Umsicht im Straßenverkehr werben. RP-FOTO: MATZERATH

Foto: Matzerath Ralph

Die Schulaula verdunkelt gut 200 Schüler vor der Leinwand. Einer von ihnen ist Tim Riebau. Doch der Zehntklässler der Peter-Ustinov-Gesamtschule erwartet an diesem sechstletzten Schulmorgen vor den Ferien nicht bloß Kino. Er schon gar nicht. Der 16-Jährige wurde vor ein paar Jahren auf der Opladener Straße von einem Auto erfasst. "Einmal beim Überqueren zu wenig aufgepasst", erzählt Tim. Nach dem Sturz vom Fahrrad sei er kurz bewusstlos gewesen. "Am Ende war es aber nur eine Prellung. Zum Glück."

Diejenigen, von deren Schicksal in den nächsten 70 Minuten auf der Bühne berichtet wird, hatten dieses Glück nicht. "Die Schreie des jungen Fahrers, der in dem Auto eingeklemmt war, werde ich nie vergessen", sagt Polizistin Jessica Vielhaus. "Das Bild von dem Wagen, in dem die junge Frau verbrannte, geht mir nicht aus dem Kopf", meint Feuerwehrmann Mark Fehl (28). Und Notfallseelsorgerin Anne de Wendt schildert die Situation, als sie einer Mutter mit vierjähriger Tochter und sechs Wochen altem Säugling diese Nachricht überbringen musste: Ihr Mann ist tot, überfahren von einem Autofahrer, der von seinem Smartphone abgelenkt war. Die evangelische Pfarrerin steht in der lilafarbenen Jacke der Notfallseelsorge auf der Bühne - so wie auch die anderen Einsatzkräfte in ihren Uniformen präsent sind. Das gehört zum Konzept von "Crash Kurs NRW", einer Vorbeugekampagne der Kreispolizei, die gestern erstmals in Monheim Station machte. Dabei setzen die Veranstalter auf Emotion und Nähe.

Die geschilderten Unfälle sind überwiegend im Kreis Mettmann und Umgebung passiert, etwa auf der A 46 bei Hilden oder einer Straße zwischen Ratingen und Heiligenhaus. Bilder zeigen die originalen Unfallorte: zerstreute Autoteile, Tragen, Sanitäter, den ausgebrannten Kleinwagen im Löschschaum. Auch Funksprüche der Leitstellen werden eingespielt: "VU mit", knarzt es aus den Lautsprechern. Heißt: Verkehrsunfall mit Personenschaden. Wie viel Unglück hinter einer solchen Meldung stecken kann, wird aber erst so richtig deutlich durch die eindringlichen Schilderungen der Helfer. Etwa durch die von Holger Radenbach, einem Polizisten aus Monheim. Er musste einer Mutter vor zwei Jahren die Nachricht überbringen, dass ihr Sohn die Heimfahrt von einer Disco nicht überlebt hat, nach Herumhampeleien herausgeschleudert aus einem Van. "Ich möchte nicht, dass ich mal zu euren Eltern fahren muss ...", sagt der 34-Jährige den Ustinov-Schülern.

Mucksmäuschenstill ist es da in der Aula - wie überhaupt die Jugendlichen die ganze Zeit gebannt zuhören. Einzelne Mädchen verlassen schniefend den Saal, Lehrerinnen kümmern sich um sie. "Wir haben im Anschluss zwei Stunden, um über das hier Erlebte zu sprechen", sagt Oberstufenleiter Horst Stolzenburg.

Tim Riebau will in den Sommerferien seinen Krad-Führerschein für eine 125er machen. Abgebracht von diesem Plan hat ihn der emotionsgeladene Morgen nicht. Aber: "Mir hat das hier die Augen geöffnet dafür, dass es bei einem Unfall nicht nur um mich geht. Ich werde künftig verdammt aufpassen."

(gut)
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