Lokalsport Zwischen Traum und schulischer Pflicht

Leverkusen · Die Geschichte von drei A-Jugendspielern, die vor dem Abitur stehen und Profis bei Bayer 04 werden wollen.

 Stimmen die Noten? Jonas Carls, Lukas Boeder, Cedrick Harenbrock und Frank Ditgens, pädagogischer Leiter bei Bayer 04, (v.l.) blicken gemeinsam auf die Zeugnisse.

Stimmen die Noten? Jonas Carls, Lukas Boeder, Cedrick Harenbrock und Frank Ditgens, pädagogischer Leiter bei Bayer 04, (v.l.) blicken gemeinsam auf die Zeugnisse.

Foto: Uwe Miserius

Vor rund zwei Jahren musste Jonas Carls eine schwere Entscheidung treffen. Zu dieser Zeit lebte der damals 16-Jährige noch bei seinen Eltern im heimischen Wülfrath. Direkt nach der Schule stieg der Nachwuchsspieler von Bayer 04 in den Bus, um rechtzeitig beim Training zu sein. Dass er erst gegen 20.30 Uhr müde Zuhause ankam, war keine Seltenheit. Für Hausaufgaben blieb da kaum noch Zeit. "Darum wurden meine Noten auch immer schlechter", sagt der Linksverteidiger.

Diese Zeiten sind mittlerweile vorbei. Weil sich Jonas schweren Herzens dafür entschied, die Schule zu wechseln und bei einer Leverkusener Gastfamilie zu leben - um seine schulischen Leistungen zu verbessern und gleichzeitig seinem großen Traum vom Profifußball näher kommen zu können.

Heute wohnt der 18-Jährige beim U 19-Physiotherapeuten Frank Glass, spielt für die A-Jugend von Bayer 04 und steht kurz vor dem Abitur. In diesen Wochen würde er sich nicht beklagen, hätte sein Tag mehr als 24 Stunden. Schließlich muss Jonas täglich den Spagat zwischen Schule und Sport - zwischen großem Traum und Pflichtprogramm meistern. Wenn dann noch Spiele in der Youth League hinzukommen, braucht es schon ein ausgeklügeltes Zeitmanagement, um das Wochenprogramm zu stemmen. Erst gestern spielte der Bayer-Nachwuchs im rund 1700 Kilometer entfernten und bitterkalten Borissow. An manchen Tagen beginnt der Schultag für Jonas, wenn seine Mitschüler am Landrat-Lucas-Gymnasium bereits Freizeit haben. Dann gilt es von 14 bis 17 Uhr im Internat des TSV Bayer 04 - das auch vom Fußball-Nachwuchs genutzt wird - die vielen Fehlstunden nachzuarbeiten, die durch Training oder Spiel-Reisen entstanden sind.

Für Lukas Boeder ist das nichts Neues. Mit 18 Jahren hat der A-Jugendspieler bereits einen durchgetakteten Tagesplan. Um 6.50 Uhr klingelt der Wecker, ehe es 40 Minuten später bereits zur Schule geht. An langen Tagen kann sich der Unterricht schon mal über acht, neun Stunden erstrecken. Sobald der Gong ertönt, fährt er auf direktem Weg zum Training. "Danach geht's nach Hause ins Bett", sagt der Innenverteidiger, der regelmäßig mit den Profis trainiert und auch schon mehrfach bei Bundesliga- und Champions-League-Spielen auf der Bank platznehmen durfte. Anders als bei seinem Teamkameraden Jonas sorgen bei Lukas Boeder, der ebenfalls die Q2 des Landrat-Lucas-Gymnasiums besucht, Länderspielreisen für zusätzlichen Terminstress. Manchmal muss er sich freundschaftliche Neckereien seiner Mitschüler anhören. "Manche sagen, wir hätten einen Bayer-Bonus", sagt der Innenverteidiger mit verschmitztem Grinsen. Die Fußballer erhielten zwar zusätzliche Unterstützung, geschenkt werde ihnen aber trotzdem nichts. Lukas kommt aus Essen. Auch er lebt mittlerweile in einer Gastfamilie - bei Frank Ditgens, seit rund 15 Jahren pädagogischer Leiter bei Bayer 04. "Lukas und das polnische Torwart-Talent Tomasz Kucz haben je einen abgetrennten Bereich für sich. Es ist eine Mischung aus Selbstständigkeit und Familie", erklärt der 49-Jährige, dessen Arbeit Fingerspitzengefühl erfordert: "Natürlich gehen die Jungs alle davon aus, irgendwann Profi-Fußballer zu werden. Die Statistik sagt aber eben, dass es die meisten eben nicht schaffen." Darüber hinaus gehe es nicht ausschließlich um den blanken Abschluss, sondern auch um die Persönlichkeitsentwicklung der Spieler. "Die ist ganz wichtig, egal ob man es im Fußball schafft oder nicht", sagt Ditgens.

Cedrick Harenbrock lebt denselben Traum wie seine Schulkameraden Jonas und Lukas. Er profitiert jedoch von der guten Verkehrsverbindung zwischen Leverkusen und seiner Heimat Wuppertal. Mit der Bahn sind es nur rund 20 Minuten bis zum Landrat-Lucas-Gymnasium, wo er von Schulkoordinator Peter Gatermann auf das Abitur vorbereitet wird. Aufgrund der Nähe kann er weiterhin bei seinen Eltern wohnen. Opfer zu bringen ist für den 17-Jährigen dennoch zur Gewohnheit geworden. "Andere in unserem Alter gehen feiern. Sowas machen wir halt gar nicht, da müssen wir was für die Schule machen", sagt der offensive Mittelfeldspieler.

Dass der Traum von der Profikarriere schnell vorbei sein kann, hat Jonas Carls am eigenen Leib erfahren: "Ich hatte schon mehrere Verletzungen und war schon mal für ein Jahr raus. Darum ist es gut, das Abitur in der Hinterhand zu haben."

(RP)
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