Analyse Nur Euphorie kann den Aufsteiger retten

Lungenfeld · Für die SG Langenfeld war das Erreichen der 3. Liga der Höhepunkt einer überragenden vergangenen Saison. In der höheren Klasse ist die Luft viel rauer - was alle geahnt hatten. Das Team steckt im Kampf gegen den Abstieg, den es aber trotz bescheidener Mittel nicht verlieren muss.

 So war das: Henrik Heider (links), Tim Menzlaff (vorne) und Vinzenz Preissegger (rechts) konnten 2015/2016 mit Langenfeld viel jubeln.

So war das: Henrik Heider (links), Tim Menzlaff (vorne) und Vinzenz Preissegger (rechts) konnten 2015/2016 mit Langenfeld viel jubeln.

Foto: Ralph Matzerath (Archiv)

Die Mannschaft hat den Kreispokal gewonnen. Die Mannschaft hat den Niederrheinpokal gewonnen. Die Mannschaft hat den Aufstieg in die 3. Liga geschafft. Und die Mannschaft hat in Hamburg den Deutschen Amateurpokal gewonnen. Wer an jenes Finale am 1. Mai zurückdenkt, wird immer noch eine Gänsehaut bekommen. Es waren viele Momente dabei, die in die Kategorie "historisch" gehören. Dabei waren die Handballer der SG Langenfeld (SGL) nicht auf jeder einzelnen Position am besten besetzt, sondern als Mannschaft richtig stark. Leidenschaft und die Bereitschaft, alles zu tun, ergaben die Basis. Daraus entwickelte sich eine Euphorie, auf der das Team von Trainer Dennis Werkmeister zu schweben schien. Es war eine besondere Form des Handball-Fiebers. Sechs Monate später sieht die Welt nun ganz anders aus. Der Aufsteiger, der mutig genug war, um das Abenteuer 3. Liga einzugehen, steht als Vorletzter mit 3:15 Punkten weit unten. Vielleicht kämpft Langenfeld tatsächlich mit stumpfen Mitteln.

 Die Gegenwart: Trainer Dennis Werkmeister (ganz links) hat auch mit den Schiedsrichtern gelegentlich einiges zu besprechen und Dustin Thöne (ganz rechts/mit Ball) am Kreis immer reichlich Arbeit.

Die Gegenwart: Trainer Dennis Werkmeister (ganz links) hat auch mit den Schiedsrichtern gelegentlich einiges zu besprechen und Dustin Thöne (ganz rechts/mit Ball) am Kreis immer reichlich Arbeit.

Foto: Ralph Matzerath (ARCHIV)

Wie ein Betonklotz am Bein wirken die 286 Gegentreffer, die einen Schnitt von 31,77 Gegentoren pro Partie bedeuten. Kein Wunder: Die Torhüter Tobias Geske, Tobias Joest und Alexander Riebau haben es da besonders schwer, eine überragende Leistung abzuliefern - weil sie viel zu oft im Stich gelassen werden. Besonders bitter: Riebau hielt am 6. Oktober im Spiel beim TuS Volmetal grandios. Trotzdem ging die SGL am Ende leer aus (26:29), weil ansonsten nicht richtig viel passte.

Werkmeister kennt eins der Rezepte, die einen durchgreifenden Fortschritt bringen könnten: "Wir müssen unsere Trainings-Intensität steigern." Hier kollidieren allerdings Wunsch und Wirklichkeit - und das auf einem für Drittliga-Verhältnisse ohnehin bescheidenen Niveau. Einige Klassenkonkurrenten trainieren mindestens vier Mal pro Woche und die Top-Teams sogar häufiger. Bei der SGL stehen theoretisch drei Einheiten pro Woche auf dem Programm. "Was erwarten wir denn?", fragt Werkmeister, "manche haben ihre Tasche dabei, kommen aber im Anzug vom Dienst zum Training." Zusätzlich gibt es Abstriche von der Pflicht, dreimal zu erscheinen.

Ebenfalls ein Puzzleteil: Wenn Spieler mitten in der Saison wegen Urlaubs fehlen, macht das die Arbeit in der 3. Liga nicht unbedingt einfacher. Beispiel: Dass die SGL zuletzt beim Neusser HV (25:30) und gegen den Longericher SC (27:34) ohne Regisseur André Eich noch größere Schwierigkeiten als ohnehin haben würde, durfte kaum als Überraschung gelten. Verletzungen oder Ausfälle wegen dringender privater Gründe gehen zudem ebenfalls nicht an Langenfeld vorbei.

"Ich habe mir das auch schöner ausgedacht", räumt Trainer Werkmeister ein, "vielleicht ist unter unseren Bedingungen ja nicht mehr möglich." Die aktuell vorhandenen Möglichkeiten werden sich nicht grundlegend ändern - und das Unternehmen 3. Liga wird mit bescheidenen finanziellen Mitteln weitergehen. Ob das Konstrukt dann für die weitere Zukunft tragfähig bleibt, ist eine andere Frage.

Der Mannschaft bleibt nur übrig, sich auf einstige Qualitäten zu besinnen. "Wir haben 3:15 Punkte und eigentlich ist nichts passiert", findet der SGL-Coach, "aber es stimmt sicher, dass die Leichtigkeit weg ist." Vielleicht hilft das folgende Rezept: Langenfeld stellt alles auf null und blickt ein halbes Jahr zurück. Ganz bestimmt gibt es ausreichend Videomaterial - als Beleg dafür, was Euphorie bewirken kann. Bringt die Mannschaft davon wieder mehr auf das Feld als zuletzt, hat sie die Chance, die 3. Liga zu halten - auf die ja alle heiß waren. Die beste Mannschaft in der Langenfelder Handball-Geschichte ist es sich in allererster Linie selbst schuldig, das Wunder zu probieren. Gelingt das, gäbe es einen weiteren Eintrag in die Kategorie "historisch".

(RP)
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