Alexandra Schneider "Narben bleiben den Kindern ein Leben lang"

Langenfeld · Langenfelder Verein "Sag's" engagiert sich seit 25 Jahren gegen sexuelle Gewalt an Kindern.

 Alexandra Schneider ist Vorsitzende des Vereins "Sag's", der sich seit 25 Jahren gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen engagiert.

Alexandra Schneider ist Vorsitzende des Vereins "Sag's", der sich seit 25 Jahren gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen engagiert.

Foto: rm-

langenfeld Vor 25 Jahren hat Alexandra Schneider den Langenfelder Verein "Sag's" gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen gegründet. Die Vereinsvorsitzende blickt im Gespräch mit unserer Redaktion zurück und berichtet über die aktuelle Situation.

Seit 25 Jahrenengagiert sich der Verein Sag's gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Was hat sich in dieser Zeit getan?

Schneider Das Thema ist in der Öffentlichkeit präsenter geworden. Am Anfang gab es für von sexueller Gewalt und Missbrauch betroffene Kinder und Jugendliche in der Umgebung keine Anlaufstelle. Mittlerweile ist unser Verein "Sag's" in Langenfeld und Monheim und sogar über die Städtegrenzen hinaus ein Begriff. Das haben wir unter anderem auch unserer Schirmherrin Angelika Staehler zu verdanken, die sich für unseren Verein sehr stark gemacht hat.

Wer wendet sich an Sie?

Schneider Lehrer, Erzieher, Mitarbeiter vom Jugendamt, Ärzte oder Sportvereine, die einen Verdacht oder Fragen zu den Themen sexuelle Gewalt und Missbrauch haben. Und natürlich kommen auch Kinder und Jugendliche zu uns, die Hilfe suchen, weil sie jemanden kennen oder selbst Opfer von sexueller Gewalt und Missbrauch sind.

Sie haben im letzten Jahr 113 Betroffene beraten und betreut. Was passiert genau, wenn sich jemand an Sie wendet?

Schneider Die betroffenen Kinder und Jugendlichen melden sich bei uns oder über die Notrufnummer. Es ist alles anonym. Wir laden sie zu einem Gespräch mit oder ohne Elternteil ein und sprechen mit ihnen. Es passiert nichts ohne die Zustimmung der Betroffenen, das ist uns ganz wichtig. Wir schauen, was dem Kind als erstes helfen könnte und bauen durch Gespräche Stück für Stück Vertrauen auf. Es bleibt den Betroffenen überlassen, wann und was sie erzählen.

Welche besonderen Schwierigkeiten gibt es?

Schneider Die Kinder und Jugendlichen sind durch sexuelle Gewalt oder Missbrauch in einem Ausnahmezustand und emotional total belastet, insbesondere wenn der Täter ein naher Verwandter oder Bekannter der Familie ist. Nur circa sieben Prozent sind Fremdtäter. Zu über 90 Prozent kommen die Täterinnen und Täter aus dem nahen familiären Umfeld oder aus dem Bekanntenkreis. Um ihnen die Last zu nehmen, sagen wir den Kindern, dass sie den Täter auch noch später, wenn sie das wollen, bei der Polizei anzeigen können, denn sexueller Missbrauch verjährt erst nach vielen Jahren.

Hat sich in der Form der sexuellen Gewalt und des Missbrauchs etwas verändert?

Schneider Im Unterschied zu früher gibt es heute das Internet. Täter stellen Fotos von nackten oder missbrauchten Kindern oder Jugendlichen ins Netz. Die Fotos bleiben ein Leben lang drin, weil sie in andere Länder weiterverbreitet und nicht mehr zurückgeholt werden können. Das ist für die Opfer ganz schlimm. Sie müssen damit leben. Sie wissen nicht, wann ihnen ihr Bild in ihrem Leben wieder im Netz begegnet.

Welche Projekte macht Ihr Verein?

Schneider Wir haben zwei Standbeine. Zum einen sind wir eine Beratungsstelle und beraten Kinder, Jugendliche sowie Erwachsene. Zum anderen sind wir in der Prävention tätig, das heißt, wir gehen in Kitas, Grund- und weiterführende Schulen, um dort mit Elternabenden und Projekten über die Themen "Grenzen setzen", "Körpergefühl" und "Missbrauch" Kinder und Jugendliche zu sensibilisieren. Sexuelle Gewalt und Missbrauch gibt es und wird es leider immer in unserer Gesellschaft geben. Deshalb ist es ganz wichtig, mit diesem Thema im Gespräch zu bleiben.

Was wollen Sie mit Ihrer Arbeit noch erreichen?

Schneider Ich wünsche mir, dass viel mehr Menschen wissen, dass es sexuelle Gewalt und Missbrauch in unserer Gesellschaft gibt. Erst dann hat ein Kind eine Chance, auf Menschen zu treffen, die es nicht in Frage stellen und statt darüber hinwegzusehen, ihm zu helfen. Je früher ein Kind oder ein Jugendlicher zu uns kommt, desto größer ist die Chance, dass es später einmal ein annähernd normales Leben führen kann. Das haben mir Betroffene, die bei uns waren und mittlerweile erwachsen sind, bestätigt. Die Narben bleiben trotzdem ein Leben lang.

VIOLA GRÄFENSTEIN STELLTE DIE FRAGEN

(vg)
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