Kommentar Mehr Licht für Hirn und Herz

Düsseldorf · Macht der Natur

Der lange Winter kann für Menschen gesundheitliche Folgen haben. Über mögliche Auswirkungen sprach RP-Mitarbeiter Martin Mönikes mit Hartmut Belitz, dem ärztlichen Direktor der LVR-Klinik in Langenfeld.

Ist jemand depressiv, wenn ihn der trübe Winter nervt?

Belitz Eher nein, Unbehagen und Missmut bei lang andauernden Schlechtwetterphasen sind leicht nachvollziehbar, aber kein psychisches gesundheitliches Problem im engeren Sinne . Es gibt allerdings das eher seltene Krankheitsbild "Winterdepression", die – wie Depressionen im allgemeinen jahreszeitlichen oder tageszeitlichen Schwankungen unterliegen – vornehmlich im Winter auftritt. Im Unterschied zu den eher im Herbst oder im Frühjahr gehäuft auftretenden endogenen Depressionen sind die betroffenen Patientinnen, es sind meist Frauen, nicht so sehr bedrückt, sondern eher antriebsarm, und sie fallen durch erhöhtes Schlafbedürfnis und Heißhunger auf Süßigkeiten auf.

Wie ist das medizinisch zu erklären?

Belitz Es gibt verschiedene Hypothesen, wobei zur Zeit am ehesten die sogenannte photochemische überzeugt: Dem Menschen, der im Dunkeln zur Arbeit geht, bei Kunstlicht seinen Job erledigt und im Dunkeln wieder nach Hause kommt, fehlt Sonnenlicht.

Wie wird die Winterdepression behandelt?

Belitz Wir arbeiten in der LVR-Klinik mit Lichttherapie. Zwei Meter hohe und mehr als ein Meter breite Leuchtgeräte strahlen mit 2500 bis 10 000 Lux und erzeugen für die davor sitzenden Patienten den Eindruck hellen Sonnenscheins, allerdings muss dann täglich über mindestens zwei Stunden davor gesessen werden, wobei man sich durch Unterhaltung oder auch Lesen die Zeit verkürzen kann. Diese Bestrahlung hilft speziell bei Winterdepressionen, bei den anderen Depressionsformen sind hingegen damit nur geringe Besserungen zu erreichen.

Kann man vorbeugen?

Belitz Ja, auch im Winter regelmäßige Bewegung an der frischen Luft. Das dunkle Haus verlassen, draußen ist es auch an Wintertagen deutlich heller als in der Wohnung. An einem sonnigen Wintertag um die Mittagszeit mal raus aus dem Geschäft oder Büro, 'ne Runde drehen. Und in den nächsten Tagen jede Gelegenheit nutzen, um Licht hereinzulassen, in Hirn, Herz und Seele.

Angebote im Einzelhandel wie Dominosteine im September, frische Erdbeeren zu Weihnachten oder die ersten Tulpen am Neujahrstag ließen die Grenzen zwischen den Jahreszeiten zunehmend verschwimmen. Die Natur schien diese Entwicklung zu unterstützen, sonnige Tage mit 17 Grad im November oder Mitte Februar wurden im Straßencafé genossen. Winterreifen waren im milden Rheinland nur etwas für ängstliche Autofahrer. Wer an die Naturgewalten denkt, die in den letzten Wochen in anderen Regionen wüteten, kann froh sein, dass uns die Natur nur mit einem "richtigen Winter" ihre Macht demonstriert hat. mmo

(RP)
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