Langenfeld Langenfeld hat jetzt ein Stundenbüro

Langenfeld · Einen Schreibtisch mieten für nur 60 Minuten - das können Interessierte in einem "Coworking Space" an der Hardt.

 Die Geschwister Ann-Sophie und Nicolaus Amler in dem von ihnen gegründeten Coworking-Center, wo Interessierte kurzfristig Arbeitsplätze buchen können.

Die Geschwister Ann-Sophie und Nicolaus Amler in dem von ihnen gegründeten Coworking-Center, wo Interessierte kurzfristig Arbeitsplätze buchen können.

Foto: rm-

Die Konferenzräume sind benannt nach "Marco Polo", "James Cook" und "Magellan", im dritten Obergeschoss gibt es zudem eine "Columbus Lounge" mit cooler Bar. Ann-Sophie Amler will deutlich machen, dass es um Aufbruch geht: "Um Aufbruch in eine neue Arbeitswelt", sagt die 24-jährige Gründerin. Die Unternehmertochter hat jetzt mit ihrem Bruder Nicolaus (22) am toom-Kreisel an der Hardt Langenfelds erstes "Coworking Space" eröffnet. In dem vierstöckigen weißen Bürogebäude an der Gladbacher Straße können Interessierte nicht nur besagte Konferenzräume, sondern auch kurzfristig einzelne Schreibtische oder Büros mieten, die Tische sogar stundenweise.

"Unser Konzept richtet sich an Unternehmen, Freelancer und Existenzgründer, die auf eine Top-Büroausstattung Wert legen, für die es sich aber nicht lohnt, diese selbst anzuschaffen", erklärt Ann-Sophie Amler ihr Geschäftsmodell. Im Blick hat sie zum Beispiel Programmierer, Vertriebler, Coaches oder etwa auswärtige Bauleiter, die ein Projekt in der Umgebung betreuen. Aber auch an Vereine, Verbände und Studenten denkt die Wahl-Langenfelderin, die in Dresden und Frankfurt aufwuchs und an der privaten EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden studiert hat. "Mehrerer meiner Kommilitonen haben lieber in solchen Coworking-Räumen gearbeitet als in der Uni, weil sie dort produktiver waren", berichtet die junge Frau.

Auf die Idee des Coworkings habe sie ein Onkel gebracht. "Der war damit in New York beschäftigt." Dabei sei neben der gemeinsam genutzten Infrastruktur und der Professionalität ("Sie brauchen als Freelancer Kunden nicht zu Hause zu empfangen") das Networking ein wichtiges Element: "Die Büro- und Schreibtischnachbarn können sich austauschen und voneinander profitieren", sagt Amler. "Deshalb ist uns auch die Columbus Lounge so wichtig. Sie soll zu einer kreativen Atmosphäre beitragen."

Auf die setzt auch Kerstin Hellhammer, die erste Mieterin im Immigrather Coworking Space. "Einen Grafik-Designer würde ich zum Beispiel fragen: Wie würdest du diese Einladung gestalten?", sagt die Event-Managerin, die ihre Auftraggeber vorrangig aus der Pharma- und Gesundheitsbranche nun von ihrem Immigrather 22-Quadratmeter-Büro aus betreut. Umgekehrt könnte sie dem Grafiker Aufträge vermitteln, sagt Hellhammer.

Angefangen hat die gelernte Werbe-Kauffrau als Angestellte in ganz normalen Büroräumen, ehe sie 2013 Mutter wurde und sich für Selbstständigkeit und Home-Office entschied. "Heimarbeit ist nicht schlecht, aber Coworking ist produktiver", bringt die 37-Jährige ihre Erfahrungen in einem entsprechenden "Design-Office" am Düsseldorfer Kaiserteich auf den Punkt. Bei der Infrastruktur am toom-Kreisel ist ihr neben DinA3-Drucker und Zentralsekretariat besonders das zuverlässige Turbo-Internet wichtig: "Denn bei Online-Ausfällen wäre ich fast komplett lahmgelegt." Etwa 20 Büros und 40 einzelne Schreibtische umfasst das Coworking Space auf zwei Etagen des weißen Hauses. Sie lassen sich in unterschiedlichen Paketen mieten, vom Schreibtisch inklusive W-Lan, Kaffee/Wasser, Social-Area-Nutzung und 20 Seiten A4-Druck für 8 Euro pro Stunde (19 Euro pro Tag) über das Zehn-Tage-Ticket für 119 Euro bis hin zum 16-Quadratmeter-Büro ab monatlich 359 Euro aufwärts, je nach Dienstleistungs-Umfang. Gebucht werden kann laut Ann-Sophie Amler auch per Smartphone. Für Technik sei ihr Bruder zuständig.

"Werft 4.0" haben die Geschwister ihre Gründung genannt. Grund: Ihr Urgroßvater Alfred Weiß eröffnete an der Stelle, wo jetzt das weiße Haus steht, im Jahr 1888 eine Werft für Sportboote. Großvater Heino schreinerte später Fensterrahmen und Möbel, woraus ab 1940 das alten Langenfeldern noch bekannte Möbelhaus Weiß entstand. Nach dessen Schließung vermietete die Familie Weiß-Amler die Immobilie ab 1990 an Dienstleister, die nach wie vor die Kernnutzer sind, darunter Steuerberater, Rechtsanwälte und IT-Fachleute. Somit fokussiert sich an diesem Ort mehr als ein Jahrhundert allgemeine Wirtschaftsgeschichte: vom Handwerk über den Handel bis zur Büroarbeit in Gegenwart und Zukunft.

(gut)
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