Analyse Heimaufenthalte werden immer teurer

Monheim · Das Jugendamt der Stadt Monheim muss sein Budget für Familienhilfen um 1,25 Millionen Euro aufstocken. Der Grund ist die steigende Zahl gemeldeter Fälle von Vernachlässigung oder Misshandlung.

 Friedhelm Haussels, Leiter der Sozialen Dienste, beobachtet eine Zunahme der Fälle von Vernachlässigung und Misshandlungen bei Kindern und Jugendlichen.

Friedhelm Haussels, Leiter der Sozialen Dienste, beobachtet eine Zunahme der Fälle von Vernachlässigung und Misshandlungen bei Kindern und Jugendlichen.

Foto: Ralph matzerath

Wer richtig hinguckt, sieht auch mehr. Seitdem das neue Bundeskinderschutzgesetz Berufsgeheimnisträgern wie Ärzten gestattet, sich an das Jugendamt zu wenden, wenn sie den Eindruck haben, dass ein Kind vernachlässigt oder misshandelt wird, steigen die Meldungen insgesamt. 2014 waren es in Monheim 200. "Inzwischen sind aber auch die Kinder dank unseres Fachstellenleiters, der Vorträge an Schulen hält, gut aufgeklärt. Gut 70 Kinder haben sich selbst gemeldet, weil sie geschlagen wurden oder sich zu Hause nicht mehr wohlfühlten", sagt Friedhelm Haussels, Leiter des Allgemeinen Sozialdienstes (ASD). In 40 Fällen machte die Polizei Meldung, etwa wenn es um häusliche Gewalt ging und Kinder im Haushalt lebten. "In nur 20 Prozent der Fälle hatten wir Fehlalarme", sagt der ASD-Leiter.

Insgesamt hat die Entwicklung der Fallzahlen dafür gesorgt, dass das Budget für die Familienhilfen (etwa 8 Millionen Euro) für das Jahr 2015 um 1,25 Millionen Euro aufgestockt werden musste. "Erst in drei Monaten wissen wir aber, wie viel der Kosten wir etwa für die zehn weggezogenen Familien erstattet bekommen, die noch in unserer Zuständigkeit sind", erklärt Haussels.

In 2015 wurden 20 Kinder und Jugendliche in die Heimpflege vermittelt (zurzeit insgesamt 50), weitere 16 in Pflegefamilien (zurzeit insgesamt 71). 34 stationäre Hilfen wurden durch das Rückführungsmanagement oder einen Abbruch beendet. "Vor jeder stationären Maßnahme wird geguckt, welche Bedingungen für eine erfolgreiche Rückführung in der Familie geschaffen werden müssten, welche ambulanten Hilfen etwa die Eltern in der Zwischenzeit benötigen", erklärt die Fachstelleninhaberin Agnes Wenzel. "Wenn das gut geplant ist, gelingt es auch."

"Wir müssen auch deshalb mehr Mittel für stationären Hilfen aufbringen, weil wir in zwei Fällen sehr teure Auslandsmaßnahmen fahren", erklärt Haussels. Die betreffenden Jugendlichen benötigten eine intensive pädagogische Betreuung in reizarmer Umgebung, die sie auf sehr elementare Lebensbedingungen reduziere. "Anders wären sie in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung", sagt Haussels. Andere teure, aber zeitlich befristete Stellen seien tatsächliche die "Geschlossene" oder sehr personalintensive Projekte. So etwas könne monatlich leicht bis zu 15.000 Euro kosten. "Unsere Fälle werden wegen der Zunahme psychischer Erkrankungen nicht mehr, aber dafür komplexer", erklärt Haussels. Man vermute, dass gewisse Verhaltensauffälligkeiten mit dem Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft zu tun haben könnten (fetales Alkoholsyndrom).

Für unbegleitete Flüchtlingskinder, die das Jugendamt seit dem am 1. November neu erlassenen Gesetz in seine Obhut nehmen muss, wird noch eine geeignete Immobilie mit 200 Quadratmetern gesucht. Die Jugendlichen sollen dort in Wohngruppen über drei Monate beherbergt werden können, um in dieser Zeit ihre Bedürfnisse zu klären. Seit kurzem sind zwölf Jugendliche in vier Wohnungen in Monheim und Baumberg untergebracht, wo sie von Mitarbeitern der Awo und des Jugendamtes betreut werden.

Auch die ambulanten Hilfen nehmen zu, 55 Familien werden im Schnitt im Jahr betreut, inzwischen befinden sich etwa 110 Familien noch zusätzlich in der Betreuung durch externe Anbieter. Damit diese flexibler und individueller helfen können, hat das Jugendamt erstmals Stunden-Kontingente für ein halbes Jahr vergeben. "Der Träger kann die Wochenstunden so freier auf die Monate verteilen", so Haussels.

(RP)
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