Langenfeld/Monheim Griechen: Respekt gehört dazu

Düsseldorf · Die scharfe Debatte der letzten 14 Tage hat die Griechen vor Ort irritiert. Zwar sehen die meisten ein, dass sich im Land an der Ägäis einiges ändern muss. Gleichzeitig warnen sie vor überheblichen oder gar diffamierenden Tönen.

Eine antike Statue mit Stinkefinger auf dem Titel eines Münchener Magazins, Ratschläge, im Zweifel auch mal eine Ägäis-Insel zu verkaufen, dazu die klare Botschaft der deutschen Politik: Helfen können und wollen wir euch nicht. Nein, an eine vergleichbare Stimmung gegen Griechenland kann sich Platon Savvidis (54) nicht erinnern. "Freundschafts-Vandalismus" — so nennt der Mit-Betreiber der nach ihm benannten Taverne an der Monheimer Krischerstraße den seiner Meinung nach etwas zu spitz geratenen Zungenschlag in der Debatte um Griechenlands Mega-Schulden, die nach Einschätzung von Fachleuten den Euro schwächen und im schlechtest denkbaren Fall sogar die einheitliche Euro-Zone sprengen könnten.

"Es wird alles ziemlich übertrieben. Jedes Land hat doch Schulden — auch Deutschland", meint der Gastronom, der davon überzeugt ist, das sein Herkunftsland auch "ein Opfer der Spekulationen internationaler Finanzhaie" ist. Trost gibt es in diesen Tagen von den treuen Monheimer Gästen. "Die klopfen uns auf die Schulter und sagen, wir sollen uns bloß nicht aufregen, Griechenland sei ein wunderbares Land", erzählt Platons Ehefrau Theognossia Spiriadou.

Früh-Verrentung

"Aber schon eines, in dem es ein paar kräftige Baustellen gibt, die angepackt werden müssen", sagt Thomas Skandalis. Der 38-Jährige, bereits in Langenfeld geborene Grieche ist Mitglied im Integrationsausschuss. Spontan fallen dem Angestellten ein: großzügige Frühverrentung mit nur geringen Abschlägen plus Extra-Abfindung, Oster- und Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsbezuges sogar für Rentner, ein üppiger Beamten-Apparat sowie eine immer noch ausgeprägte Vetternwirtschaft.

"Selbst auf anspruchsvolle und gut bezahlte Jobs werden bevorzugt Familienmitglieder, enge Freunde und sehr gute Bekannte vermittelt." Völlig selbstverständlich sei auch der "fakelaki", der kleine Briefumschlag mit Euro-Inhalt, mit dem man eine Oberarzt-Behandlung, einen früheren OP-Termin, eine nur schwer zu erhaltende Baugenehmigung oder das Bestehen der bereits zweimal vergeigten praktischen Fahrprüfung herbei zaubern könne. "Da hält fast jeder die Hand auf", glaubt Skandalis. Tatsache ist: Was die Griechen als "Trinkgeld" sehen, erfüllt nach Ansicht der Anti-Bestechungs-Organisation Transparancy International den Tatbestand der Korruption, für die jede griechische Familie im Schnitt pro Jahr rund 1600 Euro berappen muss.

Eine Sitte, die auch Vassilis Chatzistamatis (83) nicht in Abrede stellt. Und doch mahnt der pensionierte Schreiner, der vor genau 50 Jahren nach Langenfeld kam, vor einer zu großen Selbstgerechtigkeit der Deutschen. "Als ich hierher kam, waren die Menschen bei so etwas absolut streng und geradeaus. Mit Vorteilsversprechungen oder gar Geldangeboten erreichte man höchstens das Gegenteil von dem, was man wollte."

Inzwischen glaubt der Rentner, der im Sommerhalbjahr eine kleine Pension auf der nordägäischen Insel Thassos betreibt, augenzwinkernd und mit einem Schuss Ironie an eine "echte Europäisierung". "Die Deutschen haben da viel vom Süden ,gelernt'." Eine Einschätzung, die Savvidis teilt: "Das mit den Vorteilen und Belohnungen ist doch kein rein griechisches Problem. Nur hier im Norden läuft es nach anderen Regeln, heimlicher und indirekter."

Mit Blick auf die (ehemalige) Heimat sind sich die Griechen aus Monheim und Langenfeld allerdings in einem Punkt einig: Der alte Zopf eines aufgeblähten Beamtenstaates gehört abgeschnitten. "Jede der beiden großen Parteien versorgt dann, wenn sie mal wieder an der Macht ist, ihre Anhängerschaft mit unkündbaren Stellen. Das geht so nicht", sagt Chatzistamatis. Und Landsmann Savvidis fügt an: "Eine Kita-Gruppe mit insgesamt 20 Jungen und Mädchen braucht schließlich auch nicht fünf Erzieherinnen, um klar zu kommen."

Frage des Tages

(RP)
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