Alexandra Herbertz "Gewalt im Alter kommt immer häufiger ans Licht"

Langenfeld · Der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt im Kreis Mettmann hat sich mit dem Thema "Beziehungsgewalt im Alter" befasst.

 Alexandra Herbertz leitet die Interventionsstelle.

Alexandra Herbertz leitet die Interventionsstelle.

Foto: Janicki

Wie häufig sind Sie in der Interventionsstelle mit derartigen Fällen konfrontiert?

Herbertz Allein im vergangenen Jahr waren unter den 435 Meldungen im Bereich häuslicher Gewalt 21 Frauen über 60 Jahre. Manchmal sind Partner die Täter, oft aber auch die erwachsenen Kinder oder Enkel. Wir gehen davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt.

Weil es immer noch ein Tabuthema ist und sich die betroffenen Frauen nicht melden?

Herbertz Auch das. Häufig gelangen die Frauen aber auch nicht in das Hilfesystem, weil sie sich weder an Fachstellen noch an die Polizei wenden. Es gibt also vermutlich etliche Fälle, von denen wir nichts erfahren. Da müssen einerseits Informationslücken geschlossen werden. Andererseits bedarf es aber auch noch der Sensibilisierung für das Thema.

Normalerweise wird der Täter bei einem Polizeieinsatz für zehn Tage der Wohnung verwiesen. Bei älteren Ehepaaren ist dieses Prozedere nur schwer vorstellbar.

Herbertz Es lässt sich auch in der Praxis kaum umsetzen. Manchmal ist es so, dass Situationen eskalieren, in denen der Mann mit der Pflege seiner Frau überfordert oder aber selber pflegebedürftig ist. Es gibt noch keine Routine im Umgang mit diesen Fällen.

Oftmals scheint die Rolle von Täter und Opfer in Gewaltsituationen schnell geklärt. Eine solch vorschnelle Schuldzuweisung kann vor dem Hintergrund von Überforderung und Hilflosigkeit doch kein Lösungsansatz sein?

Herbertz Das ist eine große Herausforderung. Auch für die Polizeikräfte, die in vielen Fällen von Angehörigen oder Nachbarn informiert werden. Obwohl Gewaltausbrüche durch nichts zu rechtfertigen sind, entsteht in einer solchen Situation durchaus auch Verständnis für den "Täter", der gegebenenfalls mit der veränderten Lebenssituation überfordert ist.

Es ist kaum denkbar, dass eine ältere Frau ihren Partner, mit dem sie womöglich schon seit Jahrzehnten zusammenlebt, bei der Polizei wegen häuslicher Gewalt anzeigt. Kann man dennoch Hilfsangebote machen?

HerbertZ Ja - es ist ganz wichtig, ins Gespräch zu kommen und Hilfen aufzuzeigen. Ältere Menschen gehören jedoch einer Generation an, die nicht so offen über Probleme spricht oder fachliche Hilfe in Anspruch nimmt. Vertrauen kann nur langsam und in kleinen Schritten entstehen.

Wie kann es für die Betroffenen weitergehen?

herbertz Oft ist es so, dass ein kompliziertes Beziehungsgeflecht und auch Schuldgefühle dazu beitragen, dass die Partner aneinander festhalten. Dann müssen sehr individuelle Lösungen gesucht und gefunden werden.

Was kann in Zusammenarbeit mit dem Runden Tisch zu guten Lösungen beitragen?

herbertz Wir brauchen Zusammenarbeit in allen Städten des Kreises Mettmann, um älteren Menschen in Fällen häuslicher Gewalt gezielt und wirksam zu helfen. Dazu gehört etwa die Gewinnung zusätzlicher Kooperationspartner, um die fachliche Kompetenz wechselseitig nutzen zu können. Die SKFM-Informationsstelle ist unter Tel. 02104 1419-221 zu erreichen.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE SABINE MAGUIRE

(RP)
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