Kreis Mettmann Die geheime Sprache der Pflanzen

Kreis Mettmann · Botaniker Wilhelm Alfermann kennt sich in der Pflanzenwelt im Neandertal bestens aus. Und er versteht ihre Sprache.

 Die Brennessel möchte nicht gerne berührt werden.

Die Brennessel möchte nicht gerne berührt werden.

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Pflanzen sind wahre Plaudertaschen. Manche hätten gern Bienengesellschaft, andere wollen nicht angefasst werden. Werden sie von wem auch immer angefressen, gibt es ein ziemliches Geschrei. Hätten wir Ohren für ihr Geschwätz, gäbe es im Neanderland wohl keine ruhige Minute mehr. Auch unter Experten ist man sich einig: Das Grünzeug kommuniziert.

 Der Fingerhut lässt nicht jedes Flugobjekt hinein.

Der Fingerhut lässt nicht jedes Flugobjekt hinein.

Foto: Klaus Tamm

"Das ist keineswegs ein Märchen" sagt Wilhelm Alfermann. Als pensionierter Professor für Botanik an der Uni Düsseldorf kennt sich der Erkrather bestens aus mit der Flora und Fauna im Neandertal. Deshalb weiß er, mit welchen Finessen etwa Orchideen um Bienen buhlen: "Da gibt es raffinierte Verfahren, um Bestäuber anzulocken." So erschwindelt sich die Bienenragwurz schon mal Dienstleistungen, indem sie den Drohnen mittels ihrer Blütenform vorgaukelt, sie selbst sei eine Bienen-Dame. Dabei wird dem so Verführten gleich ein ganzes Pollenpaket für den Transport zur nächsten Blüte auf den Rücken geklebt.

Kreis Mettmann: Die geheime Sprache der Pflanzen
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Nicht weniger einfallsreich scheint der Fingerhut zu sein. Beim "Blümchensex" steht er auf Hummeln, kleineren Voyeuren verdirbt er mit seinen am Blüteneingang stehenden Haaren den Spaß.

Reden Bäume? Tuscheln Sträucher miteinander? Schreit womöglich gar der Löwenzahn, wenn er im Korb für die heimische Kräuterküche landet? Glaubt man dem nicht unumstrittenen Forschungsgebiet der Pflanzenneurobiologie, so ist das zweifelsohne denkbar. Wo vom "denkenden Kohl" gesprochen wird, scheinen auch aufmunternde Worte für die kränkelnde Tomatenpflanze durchaus erfolgversprechend zu sein. Ganz so weit möchte Alfermann nicht gehen, und dennoch weiß der Botaniker: "Pflanzen können ,um Hilfe rufen'. Nicht, wenn sie von Menschen abgerissen werden. Wohl aber, wenn Raupen und andere Tiere an ihnen fressen." Raspelt sich also irgendwo im Neanderland eine Raupe genüsslich durchs Grünzeug, ist das Chaos zunächst groß. Ziemlich schnell geht die Pflanze jedoch in die Vorwärtsverteidigung und verströmt Duftstoffe, um die Plagegeister zu bekämpfen. "Sie lockt die Feinde ihrer Feinde an", erklärt Alfermann die geniale Verteidigungsstrategie. Fleischfressende Wespen wissen so ziemlich schnell, dass es dort etwas zu holen gibt und befreien die Geplagten von ihren Fressfeinden. Und auch da gibt es wieder die ganz Schlauen wie beispielsweise die Stendelwurz, die andauernd "den Duft eines angefressenen grünen Blattes" verströmt, um Wespen mit dem Raupen-Versprechen anzulocken. Stellen die dann nach eifrigem Herumkrabbeln auf dem Orchideengewächs fest, das nichts zu holen ist, werden trotz allem die Pollen festgeklebt. Übrigens: Auch die Verwandtschaft wird gewarnt. So sollen sich Bohnenpflanzen gegenseitig mitteilen, dass sie gerade von Blattläusen heimgesucht werden. Die geheime Sprache der Pflanzen indes ist reine Chemie. Das Vokabular? Ein Sammelsurium von Duftstoffen und giftigen Wirksubstanzen.

(RP)
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