Langenfeld Das Handwerk boomt, gute Azubis sind rar

Langenfeld · Kein Sektor profitiert so von der Konjunktur wie das Handwerk. Doch es wird schwerer, geeignete Azubis zu finden. 80 Prozent scheitern schon am Einstellungstest, sagt Dachdeckermeister Stefan Golißa.

Langenfeld: Das Handwerk boomt, gute Azubis sind rar
Foto: Bretz Andreas

Eigentlich hat Stefan Golißa in seinem 24-Mann-Unternehmen immer zwei Azubis. Dieses Jahr stellte er nur einen ein. Und er ist auch fest davon überzeugt, dass sich kein weiterer Bewerber mehr meldet für das im August beginnende Jahr. Der Dachdeckermeister hat gute Beispiele, dass es für familiengeführte Handwerksbetriebe immer schwieriger wird, geeignete Kandidaten für eine handwerkliche Berufsausbildung zu finden. Golißa und die Vertreter der Handwerkskammer sind sich einig, dass die Eignung der Schulabgänger für die Ausbildung immer schlechter wird. "Wir prüfen etwaige Bewerber zunächst in einem etwa 45-minütigen schriftlichen Test. Und meine heutige Erfahrung ist, dass 80 Prozent der Kandidaten weniger als die Hälfte aller Fragen darin beantworten können", sagt Golißa.

Der Test fragt Schulwissen und ein bisschen Allgemeinbildung ab. Darunter sind einfachere mathematische Fragen, wie "Wie viel sind fünf Prozent von 150 Euro?", aber auch weitergehende Fertigkeiten wie das schriftliche Dividieren oder Multiplizieren von Zahlen mit Nachkomma-Stellen. Auch Fragen wie "Auf welchem Kontinent liegt Bolivien?" oder "Was bedeutet brutto?" sowie die Frage, wer Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland ist, gehören zum Kurztest bei Golißa.

"Die größten Defizite haben die Schulabgänger in den Fächern Deutsch, Mathe und später in der Berufsschule im Zeichnen", sagt der Handwerksmeister. Für Axel Fuhrmann, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, liegt der Mangel an guten Azubis auch an anderen Zielen der Schüler. "60 Prozent der Schüler eines Jahrgangs machen heute Abitur, und von dem Großteil der Übrigen viele noch Fachabitur", sagt Fuhrmann. Und diese Schüler seien schwerer für eine handwerkliche Ausbildung zu gewinnen.

Ungeachtet des wachsenden Fachkräftemangels brummen die Geschäfte des Handwerks. Der regelmäßig von der Handwerkskammer Düsseldorf ermittelte Geschäftsklimaindex erhöhte sich um zwei Prozentpunkte gegenüber dem Herbst auf nun 91 Prozent. "Das ist ein neuer Allzeitrekord, und dies nun schon zum achten Mal in Folge", sagte Handwerkskammerpräsident Andreas Ehlert. Seit vier Jahren also hält der Boom im rheinischen Handwerk an. Der linke Niederrhein liegt laut Umfrage mit 93 Prozent sogar noch etwas besser, das Bergische Städtedreieck hinkt mit 88 Prozent etwas hinterher. Die Landeshauptstadt selbst liegt genau auf dem Kammerniveau.

Deutlich angezogen hat die Stimmung angesichts niedrigster Zinsen im Baugewerbe. Auch Kfz-Betriebe, Gesundheitsberufe und der Metall-, Maschinen und Anlagenbau spürte den Aufwärtstrend. Die bei Handwerkern besonders wichtige Auftragsreichweite erhöhte sich von 5,9 Wochen im Herbst auf nun 7,2 Wochen. Erstaunlich angesichts der aus dem Boden schießenden Backwarenketten verzeichnete das Lebensmittelhandwerk den deutlichsten Umsatzanstieg aller Gewerke. Trotz allem Optimismus blickt das Handwerk mit einer Sorge in die Zukunft: das drohende Dieselverbot für die NRW-Großstädte, insbesondere Düsseldorf. Viele Betriebe hätten gerade erst auf Fahrzeuge mit Euro-5-Norm investitionsintensiv umgestellt, bald dürften diese Fahrzeuge möglicherweise nicht mehr in die Innenstädte.

(tb.)
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