Monheim Aus dem Holocaust lernen

Düsseldorf · Die Auschwitz-Überlebende Zipora Feilovich und der Nazi-Jäger Tuviah Friedman sind heute zu Gast bei einer Podiumsdiskussion der Zeitzeugen. Was sie gelernt haben? Zu reden, statt zu schweigen; Versöhnung statt Hass.

Bis 1994 konnte Zipora Feilovich mit ihren drei Kindern nicht reden. Nicht darüber, wie die damals 17-Jährige aus Siebenbürgen im April 1944 mit ihrer Familie nach Auschwitz kam. Wie ihre Eltern noch von der Rampe aus ins Gas geschickt wurden. Wie sie und ihre zwei Jahre jüngere Schwester in den Block C nach Birkenau kamen, wo sie von Josef Mengele mit den Worten begrüßt wurden: „Wen das deutsche Volk nicht braucht, der geht da hin“ – und auf die rauchenden Schornsteine deutete.

Doch vor zwölf Jahren habe ihr Mann, den sie 1946 auf dem Weg nach Erez Israel, ins gelobte Land, kennenlernte, sie genötigt, ihre Erfahrungen endlich aufzuschreiben. „Danach war ich frei“, erzählt die 79-Jährige, die heute in Haifa lebt. „Seitdem kann ich nicht aufhören, zu reden.“ Tausenden von Schülern hat sie von der Shoah berichtet, hat Jugendliche zum Gedenkzentrum nach Auschwitz begleitet. Heute abend nimmt Zipora Feilovich an einer von israelischen und Monheimer Schülern initiierten Podiumsdiskussion in Baumberg teil.

Zweiter Zeitzeuge aus Israel wird Tuviah Friedman sein. „Ich werde nächsten Monat 85 Jahre jung“, sagt der gebürtige Pole verschmitzt. Fast 60 Jahre lang arbeitete der Leiter des „Institute of Documentation in Israel for the Investigation of Nazi War Crimes“ mit Simon Wiesenthal zusammen und machte mit dem berühmten Nazi-Jäger 1960 Adolf Eichmann in Argentinien ausfindig – von über 1000 Kriegsverbrechern sein größter Fang.

„Die Deportation von Juden aus 18 europäischen Ländern hat er organisiert“, erinnert Friedman, der selbst als sogenannter „Arbeitsjude“ in zahlreichen Lagern war. Ein halbes Jahr vor Eichmanns Hinrichtung hatte ihn Friedman noch postalisch um Aufklärung hinsichtlich eines Gestapo-Chefs gebeten, der vorgab, von der 1942 beschlossenen „Endlösung der Judenfrage“ nichts gewusst zuhaben. Eichmanns handschriftliche Antwort: „Für die Deportationen waren ausschließlich Hitler, Himmler und Heydrich verantwortlich.“

Dass selbst ranghohe SS-Funktionäre ihre Verantwortung leugneten, bringt den studierten Historiker noch heute zur Weißglut. Bei einem Kriegsverbrecher-Prozess – in Tausenden hat Friedman als Zeuge ausgesagt – habe er beispielsweise den Assistenten von Mengele gefragt, wie er es habe fertigbringen können, über 400 Kinder bei lebendigem Leib ins Feuer zu werfen. Der habe lediglich geantwortet: „Ich hatte meine Befehle.“

In den ersten Jahren nach der Befreiung sei der Hass auf alle Deutschen groß gewesen, räumt Friedman ein. Doch dann habe er auch andere Deutsche kennengelernt, die zu Freunden wurden. Heute abend wird ein 17-jähriger Gymnasiast aus Tirat Carmel mit dem OHG-Schüler Levin Wagner die Podiumsdiskussion moderieren. „Natürlich gibt es die schlimme gemeinsame Geschichte“, weiß auch Shabi Haddash. Doch sei es die Aufgabe seiner Generation, in Frieden miteinander zu leben.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort