Heinsberg Kultur hinter Gefängnismauern

Heinsberg · Bei der ersten landesweiten Knast-Kulturwoche haben Häftlinge in der JVA Heinsberg gezeigt, wie auch in begrenzten Räumen Kunst entstehen kann, die weit über die Gefängnismauern geht.

Bereits der Eintritt vermittelt das starke Gefühl von Verschlossenheit und Grenze - drinnen hingegen präsentieren jugendliche Straftäter die Ergebnisse ihres künstlerischen Schaffens, was den Kontrast noch verstärkt. "In der JVA Heinsberg wollten wir den Begriff der Kunst möglichst weit fassen", erläutert Stefan Schlebusch als Leiter des Sozialdienstes. Vor Mithäftlingen und den Angestellten der Anstalt haben Gefangene am Freitagnachmittag einerseits ihre Kunstobjekte präsentiert, die in wochenlanger Arbeit - meist in einer Gruppe - entstanden waren. Eingerahmt gewesen ist die Präsentation andererseits in ein Programm aus musikalischen und tänzerischen Aufführungen, ergänzt durch eine Lesung.

"Es ist erstaunlich, welche Ergebnisse hier entstanden sind", betont die Leiterin der Anstalt, Ingrid Lambertz. In vielen der anstaltsinternen Projektgruppen nutzten die Häftlinge die Möglichkeit, sich selbst und ihre Gefühle künstlerisch auszudrücken. Dazu gehörte auch, Gedanken schriftlich zu formulieren: "Auch wenn man uns einsperrt, bleiben unsere Gedanken dennoch frei, was auch immer geschieht."

Der 18-jährige Florian muss mehr als zwei Jahre Strafe absitzen, aus einer Palette und weiteren Materialien schuf seine Gruppe einen Baum zum Träumen. Alles wurde selbst hergestellt und über Wochen in der Freizeit gemalt, gestaltet und arrangiert. Die Gitter sind allgegenwärtig, gehören zum Alltag der jungen Menschen. Auch die Arbeit von Marvin (22) und Anas (22) hat ihren Ausgangspunkt in der eigenen Zelle. Aus Pappkartons hatte ihre 15-köpfige Gruppe eine Zelle nachgebaut, mit allen Klischees des Knastlebens. Gitterstäbe, Pin-up-Bilder und Wandzeichnungen sind die Belege. Die Außenwelt wurde schwarz, die Zelle in Weiß gemalt. "Wir mussten immer wieder Dinge entscheiden", erklärt Marvin die Entstehung. Er und Anas betonen jedoch, dass es jedes Mal demokratisch ablief.

Während der Präsentation der Kunstwerke führt eine Trommel-Gruppe in die Veranstaltung ein. Die eindringlichen Schläge, langsam beginnend, steigern sich immer mehr, unterstützt von einer Trillerpfeife. Rhythmusänderungen, Gegenschläge, unterschiedliche Tempi in kurzer Zeit, die Gruppe hat sich in der Kürze der Vorbereitungszeit an Anspruchsvolles getraut. Aber auch ruhige Musik auf der Gitarre gehört zum Programm, bei dem die Zuhörer zumeist sehr aufmerksam zuhören. Mitmachen heißt es nach einer Pause, als eine Gruppe auf Boomwhackers, kurzen Kunststoffrohren, zunächst ein Stück vorführt, dann aber das Publikum einbezieht. Das Publikum erlebt anschließend die Lesung eines ehrenamtlichen Betreuers, der versucht, mit seiner Kurzgeschichte ein wenig pädagogisch Einfluss zu nehmen. Besonders angetan sind die jungen Sträflinge von einer Break-Dance-Vorführung. Künstlerisch kreatives Schaffen hatte in vielen von ihnen ungewohnte Denkweisen hervorgerufen.

(maut)
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