Erkelenzer Land Koalitionsvertrag: Folgen für Kommunen

Erkelenzer Land · Wie wirken sich die Vereinbarungen der neuen schwarz-gelben Regierungskoalition auf die Städte im Erkelenzer Land aus? Abgeordnete, Schulleiter und Bürgermeister äußern sich.

Der neue CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Schnelle aus Hückelhoven, von Hause aus Polizeibeamter, ist vor allem recht zufrieden über die Verhandlungsergebnisse in Sachen "Innere Sicherheit", die auch dem Kreis Heinsberg zusätzliche Polizeibeamte und mehr Polizeiverwaltungsassistenten bringen werden, die die Beamten von Schreibtischarbeit entlasten, um die Präsenz der Polizei vor Ort zu erhöhen. 300 Beamte pro Jahr mehr (insgesamt 2300) sollen laut Koalitionsvertrag eingestellt werden sowie jährlich 500 Verwaltungskräfte. "Schade ist lediglich, dass wir als CDU nicht die für unseren Grenzraum sinnvolle Schleierfahndung, also verdachtsunabhängige Verkehrskontrollen, erreichen konnten. Insgesamt ist das Ergebnis aber gut." So sieht Schnelle es auch beim Blick auf die Kommunalfinanzen. "Kommunen im Kreis profitieren etwa von dem erhöhten Anteil des Landes an den Gemeinschaftssteuern, der von 21 auf 23 Prozent wachsen soll." Auch das Unterhaltsvorschussgesetz, das die Kommunen bislang zu 80 Prozent belastet, solle korrigiert werden. "Wir hoffen auf eine 50:50-Anteils-Regelung", sagt Schnelle. Die Entscheidung, die Investitionen in den Landesstraßenneubau zu erhöhen, könnte die früher bereits im vordringlichen Bedarf eingestufte Umgehung Gerderhahn in Kürze wieder aktuell werden lassen, hofft Schnelle. Dass Beschränkungen im Landesentwicklungsplan aufgehoben werden sollen, sieht der Hückelhovener als Chance für Kommunen im Kreis, neue Wohngebiete und Gewerbeflächen auszuweisen.

Dass der Windkrafterlass geändert werden soll, ein besonderes Anliegen der Liberalen, begrüßt neben Schnelle ganz besonders Landtagsabgeordneter Stefan Lenzen (FDP). Aktuell ist das Thema gerade durch die Bürgerproteste gegen die geplante Windrad-Konzentrationsfläche im Birgelener Wald. Lenzen betont die Verstärkung der kommunalen Entscheidungskompetenz im Koalitionsvertrag: Die Verpflichtung zur Ausweisung von Windvorrangzonen werde aufgehoben. Die Abstandsflächen zu Siedlungsbereichen sollen wieder auf 1500 Meter angehoben werden. Die Privilegierung von Windkraftanlagen im Wald entfalle. "Die Planungen für den Birgelener Wald mit Abstandsflächen von 900 bis 1200 Metern wären mit dem neuen Erlass so nicht möglich", sagt Lenzen. Gibt es also Chancen zur Verhinderung des ungeliebten Projekts? Lenzen: "Die Wassenberger FDP-Fraktion hat für die nächste Ratssitzung einen Prüfantrag gestellt, das Genehmigungsverfahren bei der Bezirksregierung zunächst zurückzustellen." Er hoffe, dass der Rat die Chance nutze, das laufende Verfahren bis zur Neufassung des Erlasses zu stoppen.

Bürgermeister erhoffen vor allem finanzielle Entlastung. Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, Kommunen ab dem Jahr 2020 wieder mit 23 Prozent an den Gemeindesteuern zu beteiligen, löst in Michael Stock (Wegberg) Sorge aus darum, was bis dahin passieren soll: "Die finanzielle Ausstattung der Kommune muss sich weiter an den Aufgaben orientieren. Dazu gehört ein auskömmliches Gemeindefinanzierungsgesetz. Die Ankündigung, den Kommunen erst 2020 mehr Geld zur Verfügung zu stellen, reicht nicht. Ferner müssen die anstehenden weiteren Bundesmittel aus dem Kommunalinvestitionsförderfonds eins zu eins an die Kommunen weitergegeben werden. Das Land darf nicht mit klebrigen Fingern Mittel den Kommunen vorenthalten." Dass Kommunen keine öffentlichen Aufgaben wahrnehmen sollen, wenn die auch ein Mittelständler erbringen kann, steht für Stock im Widerspruch zum Ansinnen, die Stadt müsse betriebswirtschaftlicher agieren. " CDU/FDP wollen das Gemeindewirtschaftsrecht wieder nach dem Motto ,Privat vor Staat' zurückdrehen. Kommunalpolitiker von Schwarz-Gelb werfen der Stadtverwaltung Wegberg oft genug vor, nicht wirtschaftlich zu arbeiten. Mit dem Koalitionsvertrag kastriert die neue Landesregierung aber genau dieses wirtschaftliche Handeln und Denken. Der Gipfel ist, die Aufsicht mit zusätzlichen Rechten auszustatten, um die Kommune zu reglementieren", so Stock. Bernd Jansen (Hückelhoven) freut sich, dass beim Unterhaltsvorschuss das Land mehr in die Pflicht genommen werde. Ansonsten würde er sich gerechtere Verteilung "von oben nach unten" wünschen. "Der Bund schreibt satte Gewinne. Hoffen wir, dass bei den Kommunen davon etwas ankommt!" Bei der Versorgung abgelehnter Asylbewerber scheine sich etwas zu bewegen, so Jansen. "Das ist ein wichtiger Ansatz, wo wir Entlastung erhoffen."

Dass der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag die Diskussion zu einem Ende führt, ob das Abitur an Gymnasien künftig nach zwölf oder wieder nach 13 Jahren gemacht werden soll, begrüßen Rita Hündgen (Cusanus-Gymnasium Erkelenz) und Arnold Krekelberg (Gymnasium Hückelhoven). Ab dem Schuljahr 2019/2020 soll an den Gymnasien in NRW wieder der neunjährige Bildungsgang (G 9) eingeführt werden, außer Schulen wünschen sich, bei G 8 zu bleiben. Trotz aller zu erwartenden Vorbereitungen und Veränderungen erhoffen sich beide Schulleiter, dass nun wieder Ruhe ins Schulsystem einkehren wird.

Bis es so weit ist zu sagen, ihre Gymnasien machen G 9 oder bleiben bei G 8, hat die künftige Landesregierung laut Krekelberg und Hündgen noch viele Beratungen vor sich und Informationen an die Schulen zu liefern: Gibt es neue Lehrpläne? Bleiben die Stundentafeln? Wird der Start der zweiten Fremdsprache wieder auf das siebte Schuljahr verlegt? Gibt es ausreichend Lehrer? Werden neue Schulbücher nötig? "Wir haben an unserer Schule noch nicht thematisiert, ob wir bei G8 bleiben sollen. Darüber werden wir erst ernsthaft beraten können, wenn uns solche Fragen aus Düsseldorf beantwortet sind", erklärt Krekelberg.

Ähnlich sagt es Rita Hündgen, die sich auch über die angekündigte Entbürokratisierung freut. An ihrem Gymnasium hat sie indes in der Vorwoche schon einmal in der Schulkonferenz "vorgetastet: Die Lehrer-Meinung ist gemischt, Eltern und Schüler sind hingegen einhellig für G 9". Am Hückelhovener Gymnasium könnte das Bild ähnlich ausfallen, berichtet Krekelberg aus der Vergangenheit doch zur Frage nach dem Abi nach 13 Jahren: "Ich erlebe dazu einen Druck der Eltern. Und ich erlebe Lehrer, die eine Stofffülle und weniger Zeit zum Beispiel für Projekte oder Exkursionen sehen."

Bei allem Verständnis, dass Eltern, Lehrer und Kinder sich schnelle Informationen wünschen, wie es für künftige Gymnasiasten ab dem Schuljahr 2019/2020 laufen soll, bitten Hündgen und Krekelberg um eine ruhige Vorbereitung. "Ein wohlüberlegtes System braucht seine Zeit der Vorbereitung", sagt Krekelberg und Hündgen ergänzt: "Es wäre schön, wenn die Basis daran beteiligt würde."

(RP)
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