Heinsberg Europa statt in Bestform geteilt in innere Konflikte

Heinsberg · Norbert Röttgen, früherer Spitzenkandidat der CDU in NRW und heute Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages hielt in Heinsberg ein Plädoyer für Europa.

Als Norbert Röttgen vor vier Jahren in Heinsberg sprach, hielt er eine flammende Wahlkampfrede. Nach seinem Auftritt in der Stadthalle waren es noch fünf Tage bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, bei der er als Landesvorsitzender des CDU als Spitzenkandidat gegen Hannelore Kraft (SPD) antrat. Röttgen wollte Ministerpräsident werden, verlor aber die Wahl. Kurz darauf wurde er als Bundesumweltminister entlassen. Einen Monat später war er nicht mehr Landesvorsitzender seiner Partei. Im selben Jahr stellte er sich auch nicht zur Wiederwahl als stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Dem Berliner Politikbetrieb blieb er aber erhalten. Röttgen wechselte in den Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Seit 2014 ist er dessen Vorsitzender. Norbert Röttgen kennt sich aus in der Außenpolitik. Jetzt ist er wieder in die Stadthalle von Heinsberg gekommen, um die Frage zu beantworten: "Gerät die Welt aus den Angeln?"

Die Antwort auf diese Frage ist auch bedeutend für den Kreis Heinsberg. Denn laut Röttgen kann von der Auffassung, die Außenpolitik sei weit weg, keine Rede mehr sein. "Die Welt ist so eng zusammengewachsen. Grenzen haben sich aufgelöst." Auf die Frage, ob die Welt aus den Angeln gerate, gab Röttgen kein eindeutiges Ja oder Nein als Antwort, sondern beschrieb die Lage der Welt aus seiner Sicht. Und aus seiner Perspektive befindet sich die Welt nach dem Kalten Krieg und der Wiedervereinigung in einem dritten Kapitel der Nachkriegszeit. Den Beginn dieses dritten Kapitels datiert Röttgen auf die Monate April und Mai im Jahr 2014, in denen sich die Bürgerbewegung in der Ukraine formierte: "Diese Freiheitsbewegung hat etwas ausgelöst in Europa und in der Welt, das bis heute kein Ende genommen hat."

Der Konflikt in der Ukraine bestehe bis heute, ein Jahr später eroberte der sogenannte Islamische Staat (IS) Mossul, die zweitgrößte Stadt im Irak. Der IS sei zu einer Krise geworden. Die Region dort sei nun "voll Hass, Krieg und Konflikte", sagte Norbert Röttgen. Es gebe den Grundkonflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, die um eine Vorrangstellung in der Region rängen, der Macht- und Religionskonflikte verknüpfe. Und es gebe die zerfallenden Staaten. Die Intervention des russischen Präsidenten Wladimir Putin habe dazu gedient, einen Konflikt zu erzeugen, damit er später unverzichtbar sei, diesen zu lösen.

Die Flüchtlingssituation ist eine Folge dieser Krisen. "Mit den Menschen kommen die Probleme unserer Nachbarstaaten", sagte Röttgen. Europa sei herausgefordert wie nie zuvor. "In einer Zeit, wo wir in Bestform sein müssten, sind wir geteilt in inneren Konflikten." Deswegen hielt Röttgen ein kurzes Plädoyer für Europa: "Jedes europäische Mitgliedsland ist allein viel zu klein, viel zu schwach, um irgendetwas zu bewegen." Eine europäische Außenpolitik sei notwendig. Sich um europäische Einigung zu bemühen, verfolge letztendlich auch deutsche Interessen. Die Krisen aber müssten in den Krisenregionen gelöst werden. Ein Euro in Jordanien könne mehr bewegen, als ein Euro in Heinsberg.

(anek)
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