Krefeld Zwei Wanderer zwischen 50 Welten
Krefeld · Gut anderthalb Jahre sind der Krefelder Hakan Yildirim und seine niederländische Begleitung Tijen Tosun um die Welt gereist. In 50 Ländern sind sie bisher gewesen. Weitere 14 sollen noch kommen.
Die beiden sind ein eingespieltes Team - und das, obwohl sie sich vor gut anderthalb Jahren noch nicht einmal richtig kannten. Hakan Yildirim und Tijen Tosun tauschen augenzwinkernd Blicke. "Ja, wir kennen uns jetzt gut. Sehr, sehr gut sogar. Besser, als uns unsere Eltern kennen", sagt der 32-jährige Yildirim, der aus Krefeld kommt. Er war nach seinem Studium in den Niederlanden (International Business) eigentlich auf Karriere-Kurs, hatte im Management einer großen Firma gearbeitet, als er plötzlich für sich feststellte, dass Karriere alleine nicht alles ist und es sinnvollere Möglichkeiten gibt, seine Lebenszeit zu verbringen.
Tijen Tosun wiederum hatte als Lehrerin an einer Förderschule in den Niederlanden einen Burn-Out und stand vor der Frage: zu Hause bleiben oder Träume verwirklichen? Die 37-Jährige hat sich für eine Reise entschieden, die eigentlich nur ein Jahr dauern sollte. "Nun ist es doch etwas länger geworden. Aber ich bereue davon keinen einzigen Tag", sagt sie. Beide Abenteurer planten ihr Vorhaben allein, arbeiteten Strecken aus und informierten sich. Über Facebook las Tijen Tosun zufällig von den Plänen des Krefelders, den sie als Studenten in den Niederlanden mal getroffen hatte - und fragte an, ob sie sich seiner Reise anschließen dürfte.
Per Anhalter startete das ungewöhnliche Duo am 19. September 2014 seine Reise von Krefeld aus in Richtung Marseille. "Ich dachte, das geht schnell und wir lernen direkt Menschen kennen", erinnert sich Hakan Yildirim. Menschen lernten sie tatsächlich kennen, schnell ging es allerdings nicht. Vier Tage dauerte die eigentlich elfstündige Reise. Die beiden hatten also genügend Zeit, sich zu beschnuppern. "Ist er nett? Wie passen wir zusammen? Solche Fragen sind mir damals durch den Kopf gegangen", beschreibt die Niederländerin die Situation. Das Trampen sah sie in einigen Orten, die als gefährlich bekannt waren, eher kritisch. In Barcelona gab dann auch der 32-Jährige auf und stellte fest: "So kommen wir nicht vom Fleck." Fortan ging es auch per Bus oder Bahn weiter. Schließlich in Portugal angekommen, mit zwei Wochen Verspätung, stellten beide fest, dass die Reisepläne, die sie zu Beginn entworfen hatten, nicht einzuhalten sind, und entschieden sich, planlos und gemütlich weiter zu reisen.
Das Trampen jedoch sei auf der Reise auch weiterhin die deutlich spannendere Fortbewegungsmöglichkeit geblieben, sagt Yildirim, der den direkten Kontakt mit den Leuten vor Ort schätzen lernte, die interessante Geschichten zu erzählen hatten und den Rucksack-Touristen gute Tipps gaben. Fast immer blieben die zwei nur wenige Tage an einem Ort. Vorausgesetzt die Gesundheit spielte mit. "Wir waren natürlich auch mal krank. Vor allem das ungewohnte Essen und die Strapazen der Reisen haben uns zugesetzt", erklärt Yildirim. Das Amazonas-Gebiet trotz seiner landschaftlichen Reize werden die Tramper wahrscheinlich immer mit Moskitos verbinden. Über 450 Stiche hat der Krefelder an seinem Körper gezählt, seine Begleiterin kam auf "nur 370" und erinnert sich: "Die Einheimischen interessieren die Mücken gar nicht mehr, obwohl ihre Stiche sogar durch die Kleidung gehen. Sie schlagen zwar auch nach den Viechern, sitzen dabei aber ganz entspannt im Freien."
Entspannt war die Niederländerin auch nicht immer beim Essen. Im Gegensatz zu Hakan Yildirim, der fast alles probierte. Auch eine Fischsuppe mit Feuerameisen, die er würzig und angenehm scharf fand. "Ich könnte nicht sagen, dass mir ein Land am Besten gefallen hat, es waren mehrere Länder, die uns beeindruckt haben", berichtet er. So habe es ihm in Mexiko und Marokko besonders gut geschmeckt. In Zimbabwe und Fiji hätten die Menschen am meisten gelacht, in Australien seien sie sehr offen gewesen und in Vietnam ausgesprochen freundlich und herzlich. Da die Männer dort keinen Bart tragen, war Hakan Yildirim mit seinem haarigen Gesichtsschmuck äußerst begehrt. "Die Leute wollten den Bart mal anfassen oder ein Foto von mir machen."
Die Spitze der Zivilisation ist für die Weitgereisten Japan. Dort seien die Menschen äußerst respektvoll miteinander umgegangen. Viele engagierten sich ehrenamtlich und reinigten freiwillig Straßen oder Parks. "Es gibt nirgendwo Mülleimer, trotzdem findet man keinen Dreck auf den Straßen. In Japan ist es üblich, den Müll wieder mit nach Hause zu nehmen", erklärt der Krefelder und meint, das Land habe ihn irgendwie an Deutschland erinnert.
Einen Traum hatten die Reisenden: Sie wollten einmal den Karneval in Rio erleben. Wie teuer die Verwirklichung dieses Traums werden würde, wussten die Rucksack-Touristen jedoch nicht. "Wir haben in zwei Wochen 2000 Euro ausgegeben. Es gab einfach keine preiswerteren Übernachtungsmöglichkeiten." Dafür war der Aufenthalt in Argentinien äußerst günstig. Einen Monat lang lebten die beiden bei Einheimischen, arbeiteten für Kost und Logis und zahlten nichts extra.
Als Tijen Tosuns Großvater schwer erkrankte, unterbrachen sie ihre Reise. "Familie ist dann doch wichtiger", sagt die 37-Jährige. Auch Hakan Yildirim musste zurück, um persönliche Sachen zu regeln. Für ihn soll es aber bald weitergehen. Er möchte noch seine Reiseplanung vollenden und von Indien über Land zurück nach Deutschland reisen. "Im Moment fühlt es sich einfach noch nicht nach einem Abschluss an."