Krefeld Zunächst Kunst-Studium, dann bester Abschluss im Handwerk

Krefeld · Ihre Geschichte ist typisch und doch wieder nicht: Die Not vieler Abiturienten, was nach dem Abi zu tun ist, kennt Annabell Jonat. Sie hat aber anders als andere ihr Studium rasch wieder beendet und ging ins Handwerk. Nun hat sie als Jahrgangsbeste ihren Gesellenbrief bekommen und steckt voller Pläne.

 "Ich liebe es, im Handwerk zu arbeiten. Hier sehe ich abends, was ich gemacht habe": Annabell Jonat, Jahrgangsbeste im Ausbildungsgang Anlagenmechaniker für Sanitär-/Heizung- und Klimatechnik, ist jetzt Gesellin und macht ihren Meister. Gelernt hat sie im Betrieb ihres Vaters Ralf Jonat.

"Ich liebe es, im Handwerk zu arbeiten. Hier sehe ich abends, was ich gemacht habe": Annabell Jonat, Jahrgangsbeste im Ausbildungsgang Anlagenmechaniker für Sanitär-/Heizung- und Klimatechnik, ist jetzt Gesellin und macht ihren Meister. Gelernt hat sie im Betrieb ihres Vaters Ralf Jonat.

Foto: Thomas lammertz

Sie ist dann doch nicht dem verfallen, was der Philosoph Julian Nida-Rümelin als "Akademisierungswahn" brandmarkt. Dabei hat auch Annabell Jonat nach dem Abitur am Gymnasium am Stadtpark Uerdingen zunächst "Anglophone Studies" und Kunstwissenschaften zu studieren begonnen. Doch sie hat schnell gemerkt, dass dies nicht das Richtige für sie war. Jetzt hat sie ihren Gesellenbrief als Anlagenmechanikerin für Sanitär-/Heizung- und Klimatechnik bekommen und ihre Ausbildung als Jahrgangsbeste abgeschlossen. "Ich liebe es, im Handwerk zu arbeiten. Hier sehe ich abends, was ich gemacht habe", sagt die 22-Jährige heute.

Ihr erging es anfangs wie vielen jungen Leuten: "Ich wusste nach dem Abitur nicht wirklich, was aus mir werden sollte." Mit dem Sprachstudium hat sie angefangen, weil sie in der Schule in Englisch "ganz ok" war. Kunstwissenschaften kam als Zweitfach dazu, weil es NC-frei war.

Die Entscheidung zum Abbruch des Studiums fiel bei ihr schon nach einem Semester - dennoch war sie nicht leicht. "Ich habe mich ziemlich geschämt, weil ich ein halbes Jahr in den Sand gesetzt habe; das ist ein mieses Gefühl", so Annabell.

Diese Gefühlslage ist typisch. Ausbildungsleiter wissen zur Genüge davon zu berichten, dass Studenten, die unglücklich sind mit ihrem Studium, die Entscheidung zum Abbruch lange vor sich herschieben - sei es, weil sie glauben, dass das Studium bessere Perspektiven bietet, sei es, weil sie sich ihren Eltern gegenüber verpflichtet fühlen. Vor allem der erste Punkt stimmt nicht unbedingt. Die Ausbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten im Handwerk oder allgemein bei Ausbildungsberufen sind so vielfältig, dass der Gesellenbrief mehr Tor in eine neue Welt als Abschluss ist. Annabell Jonat hatte zudem das Glück, dass ihre Eltern hinter ihr standen: "Meine Eltern haben nie Druck ausgeübt." Weil sie sich als Studentin immer unwohler fühlte, hat sie schließlich ein Praktikum im Betrieb ihres Vaters Ralf Jonat gemacht. "Ich hab mich im Handwerk schnell zu Hause gefühlt", resümiert sie - so fiel die Entscheidung für die Ausbildung, die sie jetzt so glänzend abgeschlossen hat.

Dass sie als einzige Frau unter Männern lernte, war kein Problem. Bei Kunden merkt sie manchmal, dass man ihr nicht ganz die schwere Arbeit zutraut. "Ich hab auch schon mal die Werkzeugtasche in den Keller getragen bekommen", erzählt sie lächelnd. Aber unterm Strich ist dieses Mann/Frau-Thema eben kein Thema gewesen. Und wie schafft man nun die Ausbildung? "Man muss fleißig sein und darf keine Angst haben, sich dreckig zu machen", sagt sie. Den Rest schafft man, auch Mathe, ein Fach, in dem sie in der Schule nie gut war.

Ihren Gesellenbrief hat Annabell jetzt in einer Veranstaltung der Elektro- und der Innung für Sanitär, Heizung, Klima und Apparatebau überreicht bekommen. Rund 160 junge Menschen würden derzeit in Krefelder Betrieben zu Elektronikern oder Anlagenmechanikern ausgebildet, berichtete Willi Gobbers, Obermeister der SHK-Innung. Dennoch forderte er die nicht ausbildenden Unternehmen auf, Lehrlinge einzustellen. "Handwerk hat Zukunft", betonte der Obermeister.

Annabell Jonat macht jetzt ihren Meister. In knapp drei Jahren ist sie fertig und wird dann irgendwann den elterlichen Betrieb übernehmen. "Ich", sagt sie mit einem Lächeln, "war die letzte Chance, dass jemand aus der Familie die Firma übernimmt."

(RP)
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