Krefeld Zeltstadt für 700 Flüchtlinge: Politik warnt vor Konfliktpotenzial

Krefeld · Landesinnenminister Jäger hat Oberbürgermeister Gregor Kathstede mit der Nachricht überrascht, dass auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne an der Kempener Allee eine Zeltstadt entstehen soll. Aus der Politik gibt es Kritik an der Zelt-Lösung. Und es werden Konflikte befürchtet – so wie im Quartier an der Westparkstraße.

Das Kasernengelände ist von Zäunen und einer Mauer umschlossen.

Das Kasernengelände ist von Zäunen und einer Mauer umschlossen.

Foto: Thomas lammertz

Landesinnenminister Jäger hat Oberbürgermeister Gregor Kathstede mit der Nachricht überrascht, dass auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne an der Kempener Allee eine Zeltstadt entstehen soll. Aus der Politik gibt es Kritik an der Zelt-Lösung. Und es werden Konflikte befürchtet — so wie im Quartier an der Westparkstraße.

Die Landesregierung will das Kasernengelände an der Kempener Allee zur Unterbringung von 700 Flüchtlingen in einer Zeltstadt nutzen. Dies hat NRW-Innenminister Jäger am Dienstag Oberbürgermeister Gregor Kathstede telefonisch mitgeteilt. Die Einrichtung sei als Notunterkunft des Landes geplant, so dass man die dort untergebrachten Flüchtlinge auf das Kontingent der Stadt Krefeld anrechne, teilte die Stadt mit.

Die Verwaltung rechnet nun damit, dass Krefeld bis Jahresende bis zu 2200 Flüchtlinge beherbergt: 700 Erstaufnahme-Flüchtlinge des Landes und etwa 1500 Menschen, die der Stadt zugeteilt sind. Bei zentraler Unterbringung der Erstaufnahme-Flüchtlinge würde die Glockenspitzhalle wieder frei werden. Eigentümer der Kaserne Kempener Allee ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA).

Wie und wann die Zeltstadt aufgebaut werden soll, ist offen. Auch die Bezirksregierung Düsseldorf konnte am Dienstagdazu nichts sagen: "Heute kann man noch nicht sagen, wer wann in Krefeld wohin kommt oder wann dort die Bauarbeiten losgehen."

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Um Verständnis für den Innenminister warb der SPD-Landtagsabgeordnete und Ratsherr Ulrich Hahnen. Das Land sei in einer absoluten Notsituation. "2011 kamen 5000 Flüchtlinge in einem Jahr, aktuell sind es 5000 in einer Woche", sagte Hahnen. Er habe dem Innenminister gegenüber sehr deutlich gemacht, dass sich auch die Stadt Krefeld in einer überaus schwierigen Situation befinde. Der Minister habe zugesagt, die 700 Flüchtlinge auf das Krefelder Kontingent anzurechnen und alle Kosten zu übernehmen. "Jetzt sind wir alle gefordert, eine humanitäre Lösung für die hilfesuchenden Menschen zu finden", so Hahnen weiter.

CDU, FDP und UWG kritisierten die Zelt-Lösung. Erneut wurde der Ruf laut, dass der Bund die Kasernengebäude herrichtet. "Das wäre langfristig solide", sagte der Bezirksvorsteher West, Klaus-Dieter Menzer, auf Anfrage, "eine Zeltstadt ist schon in einem regnerischen Oktober nicht mehr gut zu genießen". Menzer gab zu bedenken, dass ein Lager mit 700 Personen Konfliktpotenzial berge. So gebe es bei dem Flüchtlingsquartier an der Westparkstraße Beschwerden von Anwohnern über Lärm; es könnte bei dann 700 Menschen zu erheblich schärferen Konflikten kommen. Er befürchtet, dass der Lenkungskreis, der unter Federführung des zuständigen Sozialamtsleiters Wolfram Gottschalk die Aktivitäten von Stadt und Hilfsorganisationen koordiniert, an seine Grenzen stößt.

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Für den Katholikenrat plädierte Lothar Zimmermann dafür, das Leben in der Zeltstadt von Beginn an mit Hilfsangeboten zu flankieren: "Das sollte begleitet werden." Er ist optimistisch, dass die Reaktionen in der Bürgerschaft weiter so positiv bleiben, wie es zuletzt bei der Glockenspitzhalle gewesen sei. "Ich bin glücklich, dass es noch keine rechtsradikalen oder nationalkonservativen Reaktionen gab." Der Katholikenrat hat seine nächste Vollversammlung als offene Vollversammlung mit Podiumsdiskussion dem Thema Flüchtlinge gewidmet, berichtet Zimmermann; jeder sei eingeladen; einer der Podiumsteilnehmer sei Sozialamtsleiter Gottschalk (Termin: 9. November, 20 Uhr, Katholisches Forum).

Hilfszusagen kamen auch von der St.-Thomas-Morus-Gemeinde an der Kempener Allee: Gemeinderatsvorsitzende Julia Grefen sagte, es gebe noch Helfer, die sich im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterkunft an der Westparkstraße gemeldet hätten und nicht zum Zuge gekommen seien. Der Vize-Bezirksvorsteher West, Hans-Josef Ruhland (CDU), plädierte dafür, die Ankündigung des Landes nicht einfach zu schlucken, sondern die städtebaulichen Interessen Krefelds in Verhandlungen mit dem Land einzubringen: So sei beabsichtigt, auf dem Kasernengelände Eigentumswohnungen und ein Jugendzentrum für den Nordbezirk einzurichten. Ruhland forderte, das Thema im Rat und den zuständigen Ausschüssen zu behandeln. Die FDP bekräftigte ihre Forderung, dass der Bund die Kasernen zur Unterbringung herrichten müsse. "Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, die zu uns kommenden Menschen nicht in Zelten, sondern in Gebäuden unterzubringen", erklärte der FDP-Fraktionschef im Rat, Joachim Heitmann. Günther Porst, FDP-Mitglied der Bezirksvertretung West, forderte, die Bezirksvertretung und die Bürgervereine zu hören und "mit ins Boot zu holen".

Auch CDU-Fraktionschef Philibert Reuters fordert, Stadt, Hilfsorganisationen und Bürgerschaft früh an der Konzeption der Zeltstadt zu beteiligen. Unabdingbar seien Maßnahmen zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung sowie zur ärztlichen, sozialpädagogischen und psychologischen Betreuung der Flüchtlinge. Er erwarte auch, dass das Land "uns bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten stärker unterstützt als bisher. So wie wir solidarisch mit dem Land NRW sind, erwarten wir auch dessen Solidarität."

Für die UWG-Ratsgruppe forderte Andreas Drabben unter anderem, dass das Land auch ein Zelt zum Spielen für Kinder installiert und dazu auch Pädagogen zur Betreuung einstellt.

(RP)
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