Krefeld Zeichnungen mit Pinsel, Stift und Kreissäge

Krefeld · Elf Mitglieder der Gemeinschaft Krefelder Künstler zeigen ihre Arbeiten im Kunst-Spektrum. Ein ungeplanter roter Faden verbindet alle.

 Die Elf von der GKK (v.l.) Anne Kurth, Georg Opdenberg, Czaja Braatz, Peter M. Heeser, Hanne Thilker-Kulgemeyer, Gert Kampendonk, John Waszek, Ingeborg Schmidthüsen, Karl-Heinz Heming, Rita Wilmesmeier und Peter M. Hasse.

Die Elf von der GKK (v.l.) Anne Kurth, Georg Opdenberg, Czaja Braatz, Peter M. Heeser, Hanne Thilker-Kulgemeyer, Gert Kampendonk, John Waszek, Ingeborg Schmidthüsen, Karl-Heinz Heming, Rita Wilmesmeier und Peter M. Hasse.

Foto: Thomas Lammertzu

Elf Künstler unter einem Dach - das klingt nach Chaos. Und elf Solisten zu einer Schau mit offen gehaltenem Titel zusammenzubringen, könnte schnell in die Beliebigkeit abrutschen. Das passiert im Kunst-Spektrum nicht. Ab Freitag stellen dort elf Mitglieder der Gemeinschaft Krefelder Künstler (GKK) zum Thema "Zeichnung" aus. Es ist die dritte Ausstellung zu diesem Genre, und sie ist weder langweilig noch vage. Denn die Räume an der St.-Anton-Straße sind Kulisse für fein gezogene Linien und kraftvolle Einsätze der Kreissäge.

Karl-Heinz Heming ersetzt ein knapp über der Arbeitsfläche eingestelltes Sägeblatt den Tuschepinsel. Auf hellen Holzplatten frisst die Maschine lineare Spuren in die Oberfläche. Durch Hin- und Herschieben steuert Heming die Struktur. Aber bis ins Detail lässt sich die Maschine nicht beherrschen, zumindest nicht, wenn er flächige Segmente aushebt. Paradox: Gerade die mit viel Gewalt ausgesägten Partien wirken besonders ruhig und harmonisch und profitieren von den ruhigen auf dunklem Hintergrund gehaltenen Arbeiten von Peter M. Heeser.

Ruhig wirken auch John Waszeks Frottagen, die er in der oberen Etage zeigt. Doch das Auge sucht Bezugspunkte, vertraute Linien. Denn Waszek hat Radierplatten aus dem Nachlass seines Künstlerfreundes Ferdinand Bahnen als Vorlage verwendet, darauf Papier gedrückt und mit Graphit abgerieben, um die Struktur der Unterlage sichtbar zu machen. Dabei hat er sich exakt an die Formate der Platten gehalten - eine Hommage an den verstorbenen Krefelder Künstler. Wunderbar passen dazu die Seelenwanderungen in den Zeichnungen von Anne Kurth. "Requiem aeternam" thematisiert die Unerklärbarkeit des Todes, der sie die Hoffnung gegenüberstellt. Wie aus den filigranen Zeichnungen herausgefallen, liegen colorierte leb- und gesichtslose Gestalten am Bildrand, darüber erheben ätherische Wesen, engelsgleich, in feinem Bleistiftstrich. Himmel, Gott und Ewigkeit werden nicht sichtbar, aber assoziiert. Die Unendlichkeit setzt Rita Wilmesmeier nebenan in Szene. Sie hat sich von den strengen grafischen Strukturen gelöst und Spiralen auf Pappe gezeichnet, deren flamm-orangefarbene Rückseite einen leuchtenden Schimmer an die weiße Wand wirft und ein Schweben vortäuscht. Die monotonen Linien der Spiralen hat sie durch bewegten Strich und Farbspuren ersetzt. In die Unendlichkeit hat die Künstlerin mit der Schere eingegriffen: Die Spiral-Enden sind eingeschnitten. Nicht von Ungefähr hat auch Hanne Thilker-Kulgemeier in diesem Raum ihren Platz gefunden. Ihr Werk speist sich aus sich selbst immer neu. Die Künstlerin ist eine Art Ideen-Resteverwerterin, die Überbleibsel aus einer Arbeit - und sei es nur ein Stück Abklebefolie - in die nächste Arbeit einbringt. So entsteht aus jeder Gegenwart ein bisschen Zukunft.

Einen Raum weiter ist das "Musikzimmer" - auch hier hat sich unabgesprochen eine thematische Klammer ergeben, die aus der Gruppenausstellung mehr macht als Stippvisiten durch das Schaffen unterschiedlicher Künstler, die einem Verein angehören. Hier zeigt sich die Vielschichtigkeit der Gattung Zeichnung, die so unendlich viel mehr ist als Stift und Papier. "Piano" heißt der Zyklus von Ingeborg Schmidthüsen. Die Kalligrafin ist erahnbar in den Schwarz-Weiß-Arbeiten, Schlanke Säulen, die am Ende kunstvoll ausschwingen, hat sie in unterschiedliche Formationen gebracht. Sie erinnern an die Tasten eines Klaviers und geben einen eigenen Rhythmus vor. Gegenüber sind kleinformatige Zeichnungen von Czaja Braatz, Der Zyklus "Klavier" nimmt mit Graphit und Ölkreide auf handgeschöpftem Ja-panpapier das rhythmische Muster auf. "Das ist Zufall", sagt die Künstlerin. Und ein bisschen Zufall ist auch, dass eine großformatige Arbeit auf Elefantenhautpapier , das für sie Dickicht und Strudel von erdigen, schwarzen und weißen Linien und Strukturen bedeutet, hier musikalisch an die Klangkulisse eines Konzertsaals erinnert, wenn sich das Orchester gerade einstimmt. Dazwischen sind Peter M. Hasses Auseinandersetzungen mit Realität und Abbild als Variationen eines Themas zu lesen. Ein dürrer Ast und ein Stein sind poetisches Stillleben auf einem Blatt. Auf dem nächsten hat Hasse mit Schatten die Illusion eines hochfliegenden oder fallenden Steins erzeugt - inspiriert von dem Fotografen Eadweard Muybridge, der erstmals Bewegung fotografisch darstellte. Nicht Bewegung, sondern Statik beherrscht den "Architektur"-Raum von Gert Kampendonk und Georg Opdenberg. Das Haus als Symbol für Heimat bestimmt Kampendonks Tuschearbeiten. Eine Hausform ist der Urtyp, den er reduziert, zerteilt, zu Fragmenten auflöst. Die Form ist der Fixpunkt, von dem aus Kampendonk Assoziationen zur Flüchtlingssituation und Diskussionen über Heimatempfinden wecken möchte. Georg Opdenberg hat dagegen die Ferne gesucht. Er nähert sich der Architektur und Landschaft von Marokko, Tunesien, Andalusien und den Abrisshäusern von Duisburg Marxloh mit jeweils eigenem Handwerkszeug: Federkiel, Bleistift, Pinsel. Lauter kleine Entdeckungsreisen.

Ausstellung "Zeichnung 3" der GKK Gemeinschaft Krefelder Künstler, Kunst-Spektrum, St.-Anton-Straße 90. Eröffnung Freitag, 13. April, Uhr. Dauer bis zum 12. Mai.

(RP)
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