Krefeld Will Cassels Mikrokosmos für sein Welt-Theater

Krefeld · Das Labor der Welt liegt für den Krefelder Künstlers Will Cassel in seinem Garten und seinem Atelier im Buschhüterhaus in Traar. Am Sonntag um 11.30 Uhr zeigt der fast 88-Jährige seine aktuellen Forschungsergebnisse.

 Will Cassel sitzt in seinem Garten in Traar am Kuhdyk 20: Der aus dem Ruhrgebiet stammende Künstler lebt seit 1934 in Krefeld und fühlt sich in der Stadt wohl.

Will Cassel sitzt in seinem Garten in Traar am Kuhdyk 20: Der aus dem Ruhrgebiet stammende Künstler lebt seit 1934 in Krefeld und fühlt sich in der Stadt wohl.

Foto: Thomas Lammertz

Mit fast 88 Jahren muss Will Cassel nicht mehr die Welt bereisen. Das hat der Künstler in der Vergangenheit genug getan. Sein Welt-Theater spielt sich mittlerweile in einem Mikrokosmos in Traar ab: Am Kuhweg 20 lebt der geborene Ruhrpottler seit 60 Jahren mit seiner Frau Sigrun in einem denkmalgeschützten Haus des umstrittenen Architekten Karl Buschhüter. Das Gebäude inmitten von Grün mit Blumen und Obstbongert, Pappeln und Wiese ist für ihn Inspiration und Kraftquelle gleichermaßen. Dabei wirkt der Zyklus von Wachsen und Vergehen im Kleinen genau so wie im Großen.

So verwundert es nicht, dass Will Cassel seine neue Ausstellung, die am Sonntag, 16. August, um 11.30 Uhr eröffnet, "Labor Welt - Bilder und Objekte" betitelt. Die Präsentation der knapp 50 neuen Arbeiten aus diesem und dem vergangenen Jahr sind bis zum 30. August zu sehen. An den beiden kommenden Sonntagen starten jeweils um 12 Uhr Führungen durch die drei Räume im historischen Gemäuer.

Will Cassel hat etwas von einem Schamanen, der die Dinge hinter den Dingen zu deuten weiß. Grau und weise mit indianisch anmutendem Haarschopf, mit mehreren Zeitmessern um den Hals gehängt, zeichnet er mit einer an den Niepkuhlen gefundenen Schwanenfeder seine niederrheinischen Weiden mit Tusche. Seine ganz persönlichen Deutungen sind in den Objekten und Bildern zu entdecken. Stillstand gibt es für den umtriebigen, klugen Kopf nicht. Er ist politisch, gesellschaftlich und spirituell voll auf der Höhe, horcht in sich und die Stadt hinein, um sich anhand seiner eigenen, über Jahrzehnte entwickelten Symbolik mitzuteilen und auszudrücken.

So bringt er seine berühmten weißen Gartenzwerge, mit denen er schon in den 1960-er Jahren in New York vor der Uno und in Washington vor dem Weißen Haus auf die Umweltzerstörung aufmerksam gemacht hat, in neue Zusammenhänge. Mal hängen sie "abstürzend" mit dem Kopf nach unten vor einem Ölbild, mal hängen sie "aufwärts" mit dem Kopf nach oben vor einem anderen Werk - dabei drückt die Schlinge nicht den Hals des Zwerges zu, sondern trägt ihn wie ein Neugeborenes in seinem Gurt.

Will Cassels Botschaften sind keine das Gemüt erdrückenden Erkenntnisse des Besserverstehers. Der Mann hat Humor und den Schalk im Nacken: So taucht auf einem der zahlreichen Aquarelle ein bunter Kobold auf, der sich vor Vergnügen auf die Schenkel zu klopfen scheint, weil sein Medium offenbar zu tief in ein Glas mit Rotwein geschaut hat. Cassels Motive sind jung und frisch. Zum Teil muten sie an wie Illustrationen aus einem Kinderbuch. Mit bunten Wasserfarben gemalt knattern zwei Personen auf einem ältlichen Motorroller durch die Gegend.

Einer modernen Designsprache entsprechen die mit einer ganz alten Maltechnik zu Papier gebrachten Motive mit Plakatcharakter. Enkaustik heißt die uralte Methode aus Ägypten und Nepal, bei der in Wachs gebundene Farbpigmente heiß auf den Maluntergrund aufgetragen werden. Cassel hat diese Technik um Zeichnungen aus Tusche ergänzt. So leuchten die Farben einer Skyline aus Hochhäusern, über die, wie in einem Raumschiff sitzend, eine comicartige Familie den Überblick zu behalten versucht. Ein anderes, so entstandenes Werk zeigt ein giftgrünes Krokodil, das eine erstaunliche Freundlichkeit ausstrahlt.

"Für mich ist die ganze Welt wichtig", sagt Will Cassel, und "unser Grundstück in Traar steht für mich für die ganze Welt". Die Umgebung verführe ihn zum Malen. Und Cassel lässt sich gerne verführen. Auf einmal blühten die Pflanzen sowas von schön, und schon hätten sie ihn gefangen, sagt er. Das bedeutet, er setzt sich in sein Atelier an seine Staffelei und hält den ihn faszinierenden Augenblick fest - das Vogelnest in der Weinrebe, den blühenden Rosenstrauch, die Äpfel im eigenen Obstgarten.

Will Cassel hat eine Passion und eine Mission: Und die lebt er mit ungeheurer Disziplin. Täglich sitzt der Künstler im Atelier, arbeitet nach einem strengen Rhythmus. So schafft er es, jung zu bleiben und drei Ausstellungen im Jahr mit neuen Arbeiten zu bestücken. Zur Vernissage am Sonntag hat Ehefrau Sigrun wieder viele Einladungen verschickt. Das Interesse an Will Cassels Arbeiten, die in diversen Museen im In- und Ausland zu sehen sind, ist ungebrochen groß.

(RP)
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