Krefeld Wie Schaumküsse zur Sünde werden

Krefeld · In der Reihe "Krefelder reden" ging es im voll besetzten Theaterfoyer um den Sündenfall - aus Sicht eines Pfarrers, eines Design-Professors und eines Architekten.

 Drei Krefelder, die sich über Sünden Gedanken gemacht haben: Pfarrer Heinz Herpers (am Pult), Designexperte Professor Erik Schmid (l.) und Architekt Klaus Reymann.

Drei Krefelder, die sich über Sünden Gedanken gemacht haben: Pfarrer Heinz Herpers (am Pult), Designexperte Professor Erik Schmid (l.) und Architekt Klaus Reymann.

Foto: Mark Mocnik

Es ist ein ungewöhnliches Thema, das bewegt. Dies spiegelte sich bei der Gesprächsreihe "Krefelder reden..." von Stadtmarketing und Stadttheater im Glasfoyer des Theaters wieder. Alle Stuhlreihen waren besetzt, als die Gastgeber Uli Cloos und Saskia Fetten den Abend zum Thema "Sündenfall" eröffneten.

Dass der Sündenfall nicht nur eine biblische Angelegenheit ist, sondern seine Ausläufer weit in die heutige Zeit hineinragen, machte schon der erste Gesprächspartner des Abends klar. "Menschen haben das Gefühl, etwas machen zu müssen, etwas darstellen, vergleichen und bewerten zu müssen. Das ist seit dem Sündenfall so. Die Urschöpfung sagt ,Du bist doch schon'. Aber das reicht keinem mehr", startete Pfarrer Heinz Herpers seine Ausführungen. Der Sündenfall sei ein Spagat zwischen "einfach nur Geschöpf sein" und der Tatsache, dass sich die Menschen Zwängen unterwerfen würden, die sie krank machten, fügte der Pfarrer an.

"Ich selber sein und sich über sich selbst freuen können - ein Mensch mit guten und schwierigen Seiten", lautete seine Devise. Wer aber sich selber und andere bewerte, der begehe immer wieder einen Sündenfall. Herpers verdeutlichte dies mit dem Beispiel einer Rose, die er mitgebracht hatte. "Die Rose ist einfach nur da, ohne zu wissen, warum. Es gibt sie, weil es sie gibt", sagte Herpers. Wie schnell man eine Sünde begehe und wie sie sich ansammelten mit nur einer Tat, damit startete Professor Erik Schmid vom Fachbereich Design der Hochschule Niederrhein seinen ganz persönlichen Sündenfall. Er brachte eine Kiste mit Schaumküssen mit: "Ich hatte solche Lust auf etwas Süßes. Also habe ich gesündigt und Mohrenköpfe gekauft." Damit hatte der Professor die Lacher auf seiner Seite. Aber nicht nur der Kauf sei eine Sünde. Die in seinen Augen völlig harmlose Bezeichnung Mohrenkopf oder auch Negerkuss für die Schaumküsse sei die nächste Sünde. Auch wer die Süßigkeit als Dickmänner bezeichne, der sündige einwandfrei, folgerte Schmid und erntete die nächsten Lacher. Der Professor zeigte auf, dass der Sündenfall ein Herrschaftsinstrument darstelle, weil es die Welt in Gut und Böse einteile, in gute und schlechte Taten. "Das Geschäft mit den Sünden ist erfolgreich. Die irdische Zentrale sitzt in Rom, und es gibt jede Menge Filialen", bemerkte Schmid. Aber auch über die Werbung werde ein ebensolcher Druck aufgebaut, damit die Erlösung, in welcher Form auch immer, verkauft werden könne. "Dazu kommen der soziale und der ästhetische Terror, allesamt Sündenfälle, die den Menschen in eine Bringschuld bringen", fügte er an.

Eine ganz andere Art von Sünden griff der Architekt Klaus Reymann auf. Er beschäftigte sich mit den Bausünden, und von denen gebe es in der Samt- und Seidenstadt einige, wie der Architekt anhand von Bildern verdeutlichte. Der Abriss der Markthalle, die Sprengung des alten Wasserturms für eine neue Verkehrsführung, das architektonisch nicht mehr wiederzuerkennende Haus der Gebrüder Kaufmann an der Ecke Friedrich- und Rheinstraße, der Abbruch des alten Krefelder Hofs oder die Vernachlässigung der Musikschule im Sollbrüggenpark - Reymann spielte hier auf die Problematik der Terrassen an, die verfallen. Er nannte viele Sündenpunkte. "Es sind Dinge, die wir vererbt bekommen haben. Man könnte viel erreichen, wenn man es richtig anfasst", betonte Reymann. Und damit gebe es eine Menge weniger Sünden in Krefeld.

(tre)
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