Krefeld Wie eine alte Hütte zum Kunstraum wird

Krefeld · Die Krefelder Künstlerin Monika Nelles hat für den Kunstverein Nordkanal eine verkommene Waldhütte in Kaarst zum Kunstraum umgestaltet. Die Dauer-Installation "Geheime Gedanken" wird heute Abend eröffnet. "Kunst im öffentlichen Raum soll Gewohnheiten stören", sagt Nelles. Da sieht sie auch Potenzial für Krefeld.

 So sieht die Hütte jetzt aus: Die rosafarbene Fassade darf und soll mit Kreidebotschaften beschriftet werden. Durch die Tür sind der Kronleuchter und die Spiegel zu sehen.

So sieht die Hütte jetzt aus: Die rosafarbene Fassade darf und soll mit Kreidebotschaften beschriftet werden. Durch die Tür sind der Kronleuchter und die Spiegel zu sehen.

Foto: Nelles

Monika Nelles fährt nie großes Inszenierungsbrimborium auf, wenn sie etwas in Szene setzen will. Die Krefelder Künstlerin verlässt sich auf Dinge, die alle aus dem Alltag kennen, und setzt sie so überraschend anders ein, dass ihr Symbolwert ins Wanken gerät. Dass der Betrachter um eine Sinnbalance ringt, ist ihr Anliegen. In vielen temporären Installationen ist ihr das geglückt. Nun hat sie eine Arbeit geschaffen, die bleibt, sich aber ständig verändern wird - mit dem Tageslicht, mit den Jahreszeiten, mit den Spuren der Zeit: Die Waldhütte "Geheime Gedanken" wird heute, 19 Uhr, im Vorster Wald in Kaarst - nahe dem Kaarster See - eröffnet.

Mit zeitgenössischer Kunst im öffentlichen Raum will der Kunstverein Nordkanal das größte Naherholungsgebiet der Stadt Kaarst gestalten. "Kunst im öffentlichen Raum setzt Markpunkte in einer Stadt. Die Leute sind sehr angetan von Störungen des Gewohnten, wenn sich dadurch der Blick weitet und sie etwas, an das sie gewöhnt sind, anders erleben", sagt Monika Nelles. Auch in Krefeld wird die Forderung nach mehr Kunst im öffentlichen Raum immer öfter laut. "Es ist wichtig, dass sie nicht nur im musealen Schutzraum steht - wie die Oldenburg-Zahnbürste am Museum -, sondern im Alltagsleben wie das Deacon-,Ohr'", findet sie.

In Kaarst hat sie eine Waldhütte zum Kunstraum gemacht. Das knapp 20 Quadratmeter große Häuschen, das vermutlich in den 1930ern gebaut wurde, empfand Nelles von seiner Größe her als heimelig, aber es war verkommen, von wilden Partys, Sprayern und Brandspuren gezeichnet. Nelles hat das reparierte Häuschen als Schutzort neu definiert. Ein Anstrich in sanftem Rosa macht es zum Hingucker im üppig wuchernden Grün. "Rosa zeigt: Hier droht keine Gefahr", erklärt sie. Denn Spaziergänger auf dem vielgenutzten Weg sollen stehenbleiben und hineinspähen.

Ein Kronleuchter hängt in der Mitte des Raums von der Decke. Aber es ist kein Kristalllüster. Nelles hat ihn aus tausenden bunten Plastik-Eislöffelchen gebaut, in denen sich das Sonnenlicht fängt. Etwa 30 Spiegel an den Wänden in unterschiedlichen Neigungswinkeln vervielfachen und verändern das Bild des Betrachters. "Ich verführe in eine ver-rückte Welt", sagt die Künstlerin. Das Betreten des Innenbereichs ist nicht möglich. Trotzdem soll die rosa Hütte ein Ort sein, an dem geheime Gedanken in Gang kommen und ausgedrückt werden. "Es gibt zu wenige Orte, an denen man allein genug ist, um sich laut auszudrücken, zu schimpfen oder zu singen", meint Nelles. "Im Auto zum Beispiel." Deshalb ermuntert sie Passanten, Gedanken mit weißer Kreide an die Außenwände zu schreiben. Sie hat bereits vier Vorschläge angeschrieben: "Ernte" an der Front, "Klee" an der Rückseite, "Süden", wo gar kein Süden ist, und gegenüber "Heute". Wie beim Palimpsest, jenen Schriftrollen, die nach Wegschaben des Textes neu beschrieben wurden und oft einen "Durchscheineffekt" hatten, sollen die Wände sich präsentieren, wenn die Kreide von Wind und Regen abgetragen wird. "Die Menschen werden in diese Kunst im öffentlichen Raum einbezogen." Interaktive Kunst im öffentlichen Bereich gibt es in Krefeld bisher nicht, Plätze dafür schon - etwa beim "Rheinblick" oder bei der Gestaltung der Krefelder Promenade. "Auch Wände und Mauern: Kunst wirkt manchmal wie ein Stuhl, der besetzt ist. Sie kann von Zerstörung abhalten."

(RP)
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